Das muss man sich mal vorstellen: Da hält jemand ein Nickerchen unter einem Baum, und weil er dort etwas träumt, das dann später große Wirkung für die Gesellschaft entfaltet, wird der Baum in Ehren gehalten und knapp 1000 Jahre später sogar zum Nationalerbe erklärt. Ist das nicht eine wunderbare Geschichte, die in unseren Tagen anachronistisch wirkt?
Dabei ist sie wahr – naja, zumindest, was die letzten Wochen betrifft. Die Initiative “Nationalerbe-Baum” hat im Oktober die rund 1000-jährige Tassilolinde bei Wessobrunn zum Nationalerbe-Baum erklärt. Anlässlich dessen kam heraus, dass es sich nicht um eine Winter-, sondern um eine Sommerlinde handelt! Auch da sind wir nun nach rund 1000 Jahren also mal bei der Wahrheit.
Ganz und gar nicht bewiesen ist hingegen die Ursprungsgeschichte: Der Sage nach hielt Bayernherzog Tassilo III. unter diesem Baum ein Schläfchen, und der Traum daraus brachte ihn dazu, an diesem Ort das Kloster Wessobrunn zu gründen. Das war grob um das Jahr 800 herum, die Sommerlinde müsste also deutlich über 1200 Jahre alt sein (damit man sie auch damals schon eines Schläfchens für würdig befunden hätte).
Dem können die Dendrologen der Naturerbe-Bäume-Initiative nicht zustimmen. Sie kommen nach der Analyse von Rinde, Wuchsform u. v. m. auf 700 bis 900 Jahre. Wie so ein Naturerbe-Baum ausgewählt und untersucht wird, verrät der Gründer der Initiative, Prof. Dr. Andreas Roloff von der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, in seinem wirklich spannenden und schönen Buch “Nationalerbe-Bäume”.
Hier könnt Ihr das ganze Buch kostenfrei herunterladen!
Und hier kommt Ihr zur Internetseite der Initiative Nationalerbe-Bäume, wo man übrigens auch selbst Vorschläge einreichen kann!
Bildquelle: (c) Guido Radig/Wikicommons