Lichtverschmutzung im Revier außer Takt. Eine dunkler Nachthimmel, an dem sich die Sterne beobachten lassen, ist zu einem seltenen und kostbaren Gut geworden. Dabei ist das Ende der Dunkelheit nicht nur ein Šsthetisches, sondern auch ein handfestes biologisches Problem. Autor: Dr. Christine Miller Grauenhaft

Sie wollen entspannt durchs Revier spazieren, da hat der neue Besitzer Ÿberall riesige Lautsprecher aufgestellt und beschallt sie mit dem Sound eines Formel Eins Rennens auf voller LautstŠrke. Ab jetzt tŠglich, rund um die Uhr. Eine Horrorphantasie? Nein, Alltag fŸr nŠchtlich aktive Wildtiere, die im Dauerlicht leben in und um StŠdte, aber rund um Freizeitparks, Kirchen und selbst mitten auf hoher See. Gestresste FrŸhaufsteher LŠrm und Licht wirken auf unsere innere biologische Uhr. Praktisch jedes Lebewesen auf dieser Welt folgt eigenen Rhythmen. Mal sind es Jahreszeiten, die zum blŸhen, balzen oder wandern auffordern, mal wirken subtilere Zeitgeber. Menschen ticken in einem monatlichen Takt, der etwa so lang wie ein Mondzyklus ist. Dazwischen folgen wir einem Tag-Nacht-Rhythmus, der auch bei všlliger Abgeschiedenheit immer noch zielsicher funktioniert. Trotzdem mŸssen wir unsere innere Uhr immer wieder nachstellen. Das Ÿbernimmt normalerweise das Tageslicht und seine jahreszeitliche €nderung. Und der Wechsel von langen zu kurzen NŠchten schlŠgt sich nicht nur in unserer Stimmung nieder. FŸr Wildtiere und Všgel ist ein exakt geeichter eingebauter Kalender Ÿberlebenswichtig. Wer zur falschen Zeit balzt, bekommt entweder keinen Partner oder die Jungen kommen zu frŸh oder zur spŠt zur Welt. Und wer den richtigen Termin zum Abflug aus den Winterquartieren ins Brutgebiet verpasst, kann auch gleich daheim bleiben. Stadtvšgel zeigen, wie man trotzdem in LŠrm und Licht Ÿberleben kann. Stadt-Amseln stehen bis zu fŸnf Stunden frŸher auf als ihre Verwandten im Wald und haben auch einen schnelleren Lebensrhythmus. Damit versuchen sie zusŠtzlich dem VerkehrslŠrm zu den morgendlichen Sto§zeiten auszuweichen. Wer sich im Getšse und im Licht der Gro§stadt wohlfŸhlen will, braucht ein entsprechend robustes Gen-KostŸm. Dabei kommen Amseln, die im Schein von sanfter Beleuchtung um 0,3 Lux schlafen Ð das ist etwas heller als Vollmond Ÿber Schnee Ð viel frŸher in die PubertŠt als ihre Vettern aus dem dunklen Wald. Jungendliche Blaumeisen im Umfeld von StŠdten und Dšrfern gehen hŠufiger fremd und haben bei mehr Weibchen Erfolg. Leben sie dagegen in grellem Dauerlicht fallen FortpflanzungsaktivitŠten manchmal ganz ins Wasser. Auch die Mauserperioden folgen bei den ãLicht-VšgelnÒ keinem erkennbaren jahreszeitlichen Rhythmus mehr. Selbst schwache Dauer-Lichtbestrahlung fŸhren zu nachhaltigen Stšrungen im Leben von Všgeln. Wahrscheinlich ist es chronischer Stress in ewig hellen NŠchten, der tief in die Biologie der Tiere eingreift. †ber StŠdten entstehen zusŠtzlich in der staubigen, dunstigen Luft, Streulichtglocken, die Ÿber Kilometer hinaus das Umland ebenso aufhellen. Und auch bei Menschen wird mittlerweile ein Zusammenhang zwischen kŸnstlichem Licht, gestšrten Schlafrhythmen und dem Auftreten bestimmter Krebsarten untersucht. Die Nacht ist eben doch zum Schlafen da. Nicht nur bei Amseln kommt bei nŠchtlicher Dauerbeleuchtung der Jahreszeiten-Lichtschalter im Vogelhirn ins Stolpern. Die MŠnnchen einer ganzen Reihe von Singvogelarten fangen bei Kunstlicht schon frŸh im Jahr zu singen an, manchmal noch mitten im Winter. Das kostet wertvolle Kraft in kargen Zeiten. Au§erdem sind hell erleuchtete Hochhausfenster in StŠdten die gleiche Todesfalle wie Windschutzscheiben fahrender Autos fŸr Insekten. Licht fŠngt und begrenzt FŸr viele Geschšpfe der Nacht ist Licht nŠmlich unwiderstehlich. Vor der GlŸhbirne gaben Mond und Sterne die Richtung fŸr nachtaktive Tiere vor. Wenn kleine Sturmschwalben zu ihrem ersten Flug aus der dunklen Bruthšhle aufbrechen, orientieren sie sich wahrscheinlich am Sternenlicht und am Leuchten der Tintenfische, die ihre zukŸnftige Beute sein werden. Liegt ihr Brutgebiet aber in der NŠhe von StŠdten oder beleuchteten Stra§en stranden sie frŸher oder spŠter am Fu§ einer Lampe, entkrŠftet, desorientiert und leichte Beute. Tausende von gerade flŸggen Sturmschwalben fallen so jedes Jahr kŸnstlichen Lichtquellen zum Opfer. Nur in den VollmondnŠchten gelingt es den noch unerfahrenen Tieren sich auf«s Meer hinaus zu orientieren. Auch nachts ziehende Zugvšgel geraten durch kŸnstliches Licht auf Abwege. Beleuchtete Schornsteine, FunktŸrme und nicht zuletzt LeuchttŸrme, Bohrinseln und WindrŠder auf offener See locken Zugvšgel in ihren Bann. Manchmal kreisen sie bis zur Erschšpfung im Lichtkegel oder prallen orientierungslos gegen Hindernisse. In NebelnŠchten oder bei bewšlkten Himmel schalten viele Všgel auf ihr Magnetnavi um und entgehen so den vermeintlichen Sternen. Mit etwas Technik kann man den irre geleiteten Všgeln helfen. Geringere LichtintensitŠten, Lampendesign, das weniger Licht nach oben abstrahlt und vor allem andere Lichtfarben und Frequenzen helfen. Sendemasten mit rot blinkenden Markierungslampen verursachen deutlich weniger VogelunfŠlle als Dauerlicht. WŠhrend rotes Licht den Magnetkompass der Tiere stšren kann. Deshalb werden auf den Hauptzugrouten grŸne Lichtquellen getestet. Oder man schaltet zur Zugzeiten die Lampen einfach eher ab. Dann bleibt die Burgruine und der Kirchturm in diesen Wochen halt dunkel. Sprichwšrtlich ist die Anziehungskraft von kŸnstlichem Licht fŸr nŠchtliche Insekten. Das wissen auch einige FledermŠuse zu schŠtzen, die gerne direkt um Lampen herum jagen. Doch dieses Verhalten ist auch fŸr sie nicht ungefŠhrlich. Vor allem die gro§en FledermŠuse, die langsam Ÿber der Vegetation pirschen meiden helle Gebiete. Diese Arten werden dann von den kleinen LichtjŠgern verdrŠngt. Insektenforscher vermuten, dass rund ein Drittel der nŠchtlich fliegenden Insekten an und um Lampen eingehen. Das macht bei einer mittleren Gro§stadt in einer Sommernacht rund drei Millionen Insekten, die durch Kunstlicht sterben. Insekten, die den Hunger von Insektenfressern nicht mehr stillen kšnnen. Aber der Einfluss von Stra§enlampen geht noch weiter. Er begrenzt auch die Ausbreitung der Insekten in der Landschaft. KŸnstliche Lichtquellen entlang eines Flusses verhindern, dass sich die Nachtfalter, Libellen und MŸcken in neue LebensrŠume fliegen. Und selbst so lichtscheue Gestalten wie Regenwurm, Assel, Ohrwurm und Skorpion werden vom Licht beeinflusst. Sie meiden konsequent beleuchtete FlŠchen und kšnnen dort auch nicht beim Abbau von Streu helfen oder als tierische Putzbrigade arbeiten. 5 Schritte zur Dunkelheit Englische Biologen haben eine Checkliste entworfen die die Lichtverschmutzung und ihre Folgen mildern kšnnen Ðund au§erdem den Kommunen noch Geld sparen. Die erste Empfehlung: Dort, wo es heute noch dunkel ist Ð unbedingt so lassen. Zweitens: Lichter abschalten, wenn sie nicht dringend gebraucht werden. Drittens: Das Licht soll dorthin fallen, wo es notwendig ist. Eine Stra§enlampe soll die Stra§e beleuchten und nicht den Nachthimmel. Als nŠchstes kann man die LichtstŠrke drosseln. Festbeleuchtung ist zur Sicherheit nicht immer notwendig. Und schlie§lich: Die Lichtfarbe an der jeweiligen Lampe so verŠndern, dass es mšglichst wenig Opfer in der Tierwelt gibt. Mit etwas guten Willen kann man die Nacht ein StŸck zurŸckholeneu iInformationen Ÿber Lichtverschmutzung und was dagegen getan werden kann findet man auf folgenden Webseiten wwww.darksky.org; wwww.darksky.ch; wwww.lichtverschmutzung.de und wwww.sterne-ohne-grenzen.de

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