Eine neue Studie in Finnland, die auf 120 Jahre alten Daten basiert, zeigt dramatische Veränderungen bei den bestäubenden Insekten. Forscherinnen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv) haben festgestellt, dass sich das Netzwerk von Pflanzen und ihren Bestäubern dort seit dem Ende des 19. Jahrhunderts massiv verändert hat.
Der Grund: Das ausgeklügelte Zusammenspiel zwischen Pflanzen und verschiedenen Gruppen von Bestäuberinsekten gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. Dabei sind die Verteilung und Häufigkeit der beteiligten Arten darin ebenso aufeinander abgestimmt wie ihr jahreszeitliches Auftreten, ihre Physiologie und ihr Verhalten.
In den Jahren 1895 bis 1900 hatte der Förster Frans Silén in der Umgebung des Dorfes Kittilä etwa 120 Kilometer nördlich des Polarkreises systematisch erfasst, welche Insekten wie häufig welche Blüten besuchten. Die Wissenschaftlerinnen von heute haben in der Umgebung von Kittilä Stellen gesucht, an denen auch ihr Vorgänger schon Beobachtungen gemacht hat, und haben in den Jahren 2018 und 2019 am Beispiel der 17 von ihm am besten untersuchten Pflanzenarten seine Aufnahmen wiederholt. Sie entdeckten drastische Veränderungen in den Netzwerken der Bestäuber. Nur bei sieben Prozent der beobachteten Blütenbesuche waren damals wie heute dieselben Arten von Insekten und Pflanzen beteiligt.
Schwebfliegen und Nachtfalter zum Beispiel tauchen auf den Blüten rund um das Dorf heute deutlich seltener auf als früher. Dazu gehört etwa die Hummel-Waldschwebfliege Volucella bombylans, die in ihrem haarigen Gesicht Pollen sehr gut von einer Pflanze zur nächsten tragen konnte. Die Nachtfalter nutzen ihren langen Rüssel, um röhrenförmige Blüten wie die Prachtnelke Dianthus superbus und des Taubenkropf-Leimkrauts Silene vulgaris zu bestäuben.
Während diese Insekten seltener geworden sind, bekommen die Blüten um Kittilä inzwischen deutlich mehr Besuch von Hummeln und bestimmten Fliegen. Ob diese Tiere genauso effektiv arbeiten wie die früheren Bestäuber, weiß bisher niemand so genau. Insgesamt sind deutlich weniger Insekten unterwegs, die sich auf bestimmte Blütenformen spezialisiert haben, und viel mehr Generalisten.
Die Publikation der Studie in englischer Sprache findet Ihr hier