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Dienstag, 19. Juli 2022

19. Juli 2022, 10:30    office@wildes-bayern.de

UPDATE 8. August 2022 Stromtod von Vögeln – jetzt dokumentieren!


UPDATE 8. August 2022: Hier findet Ihr eine Studie aus den USA, die dokumentiert, dass eine nicht geringe Anzahl an Waldbränden dadurch verursacht wird, dass Vögel in Stromleitungen hängenbleiben, sterben und ihre Kadaver brennend zu Boden stürzen

 

Originalmeldung: Die NABU-Bundesarbeitsgemeinschaft Stromtod ruft dazu auf, vor allem jetzt in den heißen Sommermonaten Stromschläge für Vögel und dadurch verursachte Schäden zu erfassen und dokumentieren, am besten inklusive möglicher Zeitungsberichte dazu. Geplant ist, die Beiträge später in einer Fachtagung zusammenzufassen. Meldungen können hier online abgegeben werden.

Der folgende Text stammt von Dr. Dieter Haas von der BAG Stromtod – wir geben ihn hier zur Kenntnis wieder. Es handelt sich um einen Leserbrief auf zwei Zeitungsbeiträge hin.

“Der Bericht behandelt zwei Probleme von Freileitungen im Hinblick auf den Natur- und Vogelschutz:

Das eine sind Anflugverletzungen durch Kollisionen von Vögeln mit Freileitungen, ein Problem für manche, darunter auch gefährdete Arten, in unseren Medien überwiegend korrekt kommuniziert.

Das Stromschlagproblem hat eine größere Bedeutung für Artenschutz und Biodiversität, mit größerer gesellschaftlicher Relevanz. Vögel werden gehäuft durch Stromschlag dezimiert an Freileitungen und Fahrleitungen im Mittelspannungsbereich, wenn die Abstände zwischen unter Spannung stehenden und geerdeten Strukturen oder zwischen Stromkabeln bei Leitungen mit Wechselstrom zu kurz sind.

Ein technisch leicht lösbares Problem. Dabei müssen Stromleitungen heute nicht nur „aus Sicht von Naturschützern besser gegen Erd- und Kurzschlüsse gesichert werden“. Vielmehr verpflichtet uns die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland und die Zustimmung zu speziellen Vorgaben in internationalen  Vereinbarungen (CMS Bonner Konvention und Berner Konvention) zur Behebung des Problems.

Massenhafte Stromschlagverluste bei Vögeln sind seit Beginn der flächenhaften Elektrifizierung als gravierendes Problem für einen sicheren Energietransport bekannt. Sie wurden in Deutschland schon seit 1888, also vor 134 Jahren in der elektrotechnischen Fachliteratur behandelt, gefolgt von Gesetzen zum Vogelschutz an Leitungen seit dem frühen 20. Jahrhundert.

Seit über 30 Jahren haben wir in Deutschland gesetzliche Vorschriften zur flächendeckenden Lösung des Problems, mit einem verbindlichen, mehrmals aktualisierten Maßnahmenkatalog zur Konstruktion vogelsicherer neuer Masten und sicherer Entschärfung alter „Killermasten“. Ein Großteil der Firmen hält sich an Gesetze und technische Vorgaben. So konnte der ehemalige „Stromschlag-Overkill“ für einige Großvögel so weit reduziert werden, dass ihre Populationen beträchtlich zunehmen konnten, darunter Weißstorch, Uhu und Rotmilan. Für stark gefährdete Arten, darunter weit umherziehende Großvögel wie Geier und Adler, sind Stromschlagverluste immer noch sehr hoch und verhindern die Wiederbesiedlung verwaister Regionen. Den Firmen, welche gesetzlich verbindliche Vorgaben missachten drohen hier keine Sanktionen – im Gegensatz zu den U.S.A., wo bei säumiger Entschärfung einer für Adler gefährlichen Leitung ein Zwangsgeld im hohen sechsstelligen Bereich durchgesetzt wurde. Häufig werden hier noch „billige Bastellösungen“ angewendet, welche den technischen Vorgaben widersprechen und die Stromschlaggefahr sogar erhöhen können (z.B. Anbringen von Büschelabweisern aus Metall).

Nachteile der Killermasten für die Allgemeinheit sind hauptsächlich Flächen-, Wald- und Gebäudebrände, Stromausfälle und Zugverspätungen. Ausgelöst werden sie durch Schäden an den Armaturen und durch nach Stromschlag brennend herabfallende Tiere, Inzidenz stark erhöht an heißen Sommertagen. Die Brandursachen werden oft nicht seriös kommuniziert, bei Vögeln fehlen häufig konkrete Angaben.

Im öffentlichen Interesse ist zu fordern:

  • Bei größerem Schaden eine sorgfältige Unfallaufnahme mit fotografischer Dokumentation wie bei Verkehrsunfällen, Einsammeln der Tiere, die den Brand ausgelöst haben könnten und Durchführung einer pathologisch-anatomischen Begutachtung durch speziell erfahrene Experten (Absicherung der Brandursache und Überprüfung auf das Legen falscher Fährten bei krimineller Brandstiftung).
  • Ausführliche Berichte in den Medien zu verlustreichen Unfällen, wozu nicht nur die verursachenden Firmen, sondern auch ornithologisch und technisch einschlägig erfahrene und forschende Naturschützer zu Wort kommen müssen (über eine Google-Suche leicht zu finden). Wünschenswert sind eine ausreichende fotografische Dokumentation durch Polizei und Journalisten vor Ort, exakte Artangaben zum verursachenden Tier: Aussagen wie „ein Raubvogel“ sind zu allgemein, „ein Habicht“ ist meist eine falsche Artangabe, und nie ist ein Vogel „schuldig“ am Unfall, viel eher technischer Pfusch (bad engineering).

In Deutschland existiert ein umfassendes Fachbuch zum Thema: STROMTOD VON VÖGELN, Ökologie der Vögel – Ecology of Birds, Band 26, 2008, ISSN 0173-0711, 303 Seiten. Darin erörtern 23 einschlägig erfahrene Experten das Problem aus verschiedener Perspektive gut lesbar und reich illustriert.”

Kontakt:

Dr. Dieter Haas, NABU-BAG Stromtod, Mobil 0049(0)1714683704, E-Mail: dghaas@web.de

Literaturhinweise:

Haas, D., B. Schürenberg Hrsg. (2008): Stromtod von Vögeln. Grundlagen und Standards zum Vogelschutz an Freileitungen. Ökologie der Vögel, Band 26. 303 S. ISSN 0173-0711
Haas, D.G., Schneider, R,  Fiedler, G., Böhmer, W., Wieding, O., Schröder, W., Mammen, U., Haas, W., Harness, R.E., Schneider, R. & M. Nahm (2020): Weltweite Stromschlagverluste bei Vögeln – Ursachen und Vorschläge für globale Lösungen. Ornithologische Mitteilungen Jahrgang 72, 2020, Nr. 7/8: 179 – 214. 
Beide Publikationen erhältlich über gundolf.shop@web.de

Bildquelle: (c)Dieter Haas




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