23. Oktober 2021, 14:16 Webmaster
So viel Aufmerksamkeit bekommt die Gams nur selten in Bayern. Aber anscheinend fühlte man im Forstministerium die Not, nach all den negativen Schlagzeilen, die unsere Klagen und der Eilantrag in der Kürnach bewirkt hatten, eine weiß-blaue Jubelmeldung zum Umgang mit dieser Wildart zu lancieren. Da kamen die Hochrechnungen aus zwei kleinen Studiengebieten im Karwendel und den Chiemgauer Bergen gerade recht.
Die Vorsitzende von „Wildes Bayern“ und Wildtier-Expertin Dr. Christine Miller ging mit den Daten und seiner umfassenden politischen Interpretation hart ins Gericht – Augsburger Allgemeine, Bayerischer Rundfunk und Münchner Merkur berichteten.
Eine andere Strategie verfolgte der SZ-Journalist, der sich zwar nach unserer Kritik an der Ministeriellen Pressemeldung erkundigte, diese dann aber nur in einem kleinen Nebensatz in seinem Meinungsbericht erwähnte. Objektiver Journalismus geht nach unserer Ansicht deutlich anders.
Hier also die Fragen des Journalisten und unsere Antworten. Was daraus in dem Artikel gemacht wurde findet man unter dem beigefügten Link. Aber Hand auf´s Herzen: Lesen lohnt nicht. Sicher sind die Leserbriefe dazu deutlich spannender und objektiver.
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vielen Dank für Ihre Mail und die Fragen zu dem Artikel, der im Münchner Merkur erschien.
zu Ihrer Frage 1:
Dort werde ich dahingehend zitiert, dass ich die öffentliche Mitteilung zu dem Forschungsprojekt „schamlos und frech“ nenne. Der Münchner Merkur gibt dies korrekt wieder.
Zu Ihrer Frage 2 und 3:
In der Pressemeldung des BayStMELF werden eine Reihe von klaren Aussagen getroffen:
- „Die Sorge über zu geringe Gamsbestände ist unbegründet.“
- Der Gams gehe es weit besser, als manche immer wieder vermuten.
- „Mit diesen Ergebnissen liegt nun der Ministerin zufolge ein belastbares Bild über den Zustand der Gamsbestände in den Projektgebieten vor.“
Die Grundlage für diese Aussagen liegen jedoch nach meiner Einschätzung nicht vor. Denn ob es einem Gamsbestand „gut geht“, kann nur anhand von solchen Daten belastbar festgestellt werden, die in dem Projekt gar nicht erhoben wurden, wie aus der veröffentlichten Fragestellung hervorgeht. Ob die betreffende Wildart in Populationen lebt, die eine artgemäße Populationsstruktur aufweisen, wird nicht ermittelt. Ob alle zur Verfügung stehenden Lebensräume von der Art genutzt werden, dazu werden keine Angaben gemacht. Und ob artgemäßes Sozialverhalten ausgeübt werden kann, auch diese Frage wird nicht untersucht. Diese Antworten wären aber notwendig, um eine belastbare Aussage über des Zustand des Gamswildes in den beiden Projektgebieten und über den Zustand des Gamswildes in Gesamt Bayern zu geben.
Zudem werden die beiden verantwortlichen Leiter des LWF Projektes in einem Beitrag in der SZ auch dahingehend zitiert, dass es ihrer Meinung nach keine Hinweise gäbe, dass der Altersaufbau gestört wäre, bzw. dass die Gamsbestände „völlig intakt“ seien.
Was die Frage der Anzahl an Tieren in einem Gebiet betrifft, kann mit den angewandten Methoden eine Schätzung vorgenommen werden. Dazu müssen jedoch bestimmte Rahmenbedingungen bei der Datenerhebung und bei den Gamsvorkommen (z.B. keine Zu- und Abwanderung aus anderen Revieren; kein Absenken des Bestandes etc.) vorliegen. Aus den vorliegenden Daten und den Daten, die ich mir zum Teil von den BaySF erbeten habe, kann ich nicht erkennen, dass diese Grundbedingungen für eine korrekte Modellierung vorliegen. Damit wären die Daten im Projekt bestenfalls eine Diskussionsgrundlage unter Fachleuten.
Ich gehe davon aus, dass die beiden Projektverantwortlichen insoweit über Fachkenntnisse verfügen, dass sie wissen müssen, wie belastbar oder eben wenig belastbar ihre eigenen Forschungsergebnisse für die veröffentlichte Interpretation sind. Vor diesem Missverhältnis habe ich die Aussagen in der Pressemeldung so eingeschätzt, wie ich im Merkur Artikel wiedergegeben.
zu Ihrer Frage 4:
Eine Aussage zu den Gamspopulation in Bayerm wie sie in der Pressemeldung gemacht wurde (robust, erfreulich etc.) könnte sich daher nur auf die angesprochenen, „seit einigen Jahren üblichen Gamszählungen“ berufen. Tatsächlich wurde im Jahr 2020 erstmalig versucht eine Methode zur systematischen Erhebung von Gamswild in allen Forstbetrieben der BaySF zu etablieren. Nur in dem kleinen Projektgebiet im Soierngebiet im Forstbetrieb Bad Tölz werden seit etwa 2014 Zählungen vorgenommen. Jedoch wurde das Zählgebiet im Jahr 2017 deutlich verändert, so dass auch hier keine zusammenhängende, vergleichbare Zahlenreihe vorliegt. Die Zählungen im Forstbetrieb Sonthofen erweisen sich zum großen Teil als „Schätzungen“, Zählgebiete und Zählmethodik wurden auch hier immer wieder verändert.
Aus diesen Zählergebnissen lässt sich daher weder eine Zunahme, noch ein gleichbleibender Gamsbestand ableiten und auch keine artgemäße, d.h. natürliche Populationsstruktur, die zur Bewertung eines Gamsbestandes als „günstig“ oder „robust“ Anlass geben würden.
zu Ihrer Frage 5 und 6:
Die Ansätze zu einer systematischen Erfassung der Gamsbestände, wie sie seit 2020 in den Forstbetrieben erprobt werden, sind bei fachgerechter und transparenter Anwendung und kleinen Ergänzungen durchaus geeignet in Zukunft nach einer Anlaufphase von weiteren 5-6 Jahren einen laufenden Trend der Bestandsentwicklung in einzelnen Zählgebieten zu liefern.
Unerlässlich ist es auf jeden Fall auch die Struktur des lebenden Bestandes näher zu bestimmen, das heisst auch Angaben über die Altersgruppen der beobachteten ebenso wie der erlegten Gams zu erfassen, eine systematische Erhebung zu den natürlichen Verlusten und die jährliche Schätzung der tatsächlichen Rekrutierungsraten vorzunehmen.
Ich hoffe, dass die Schätzung von Bestandestrends und Bestandesstrukturen bei allen Wildarten in Bayern in Zukunft in einer fachlich nachvollziehbaren und transparenten Weise geschieht.
Für weitere Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
mit freundlichen Grüßen
Dr. Christine Miller