Wer seine forstlichen und waldbaulichen Ziele im Lebensraum unserer Schalenwildarten erreichen will, sollte eine Ahnung haben, wie Reh, Hirsch oder Gams die Waldentwicklung beeinflussen. Doch über die Frage der passenden Methode und die Interpretation der verschiedenen Ergebnisse werden viele Kämpfe ausgetragen – gerade jetzt, wo eine neue Runde zur Erhebung des sogenannten “Forstlichen Gutachtens” in Bayern eingeläutet wird. Was ist wissenschaftlich, was ist bloße Behauptung und Agitation? Und was bedeuten die gemessenen Zahlen und Verbiss-Prozente? Prof. Friedrich Reimoser hat sein ganzes Forscherleben dieser Frage gewidmet und kann nun über jahrzehntelange Datenreihen blicken. Die Ergebnisse seiner und vieler anderer wissenschaftlicher Studien hat er nun vorgelegt.
Aus 28 Studiengebieten mit unterschiedlichem Baum- und Wildarteninventar und in unterschiedlichen Regionen und Lagen hat das Team um Prof. Reimoser die Ergebnisse langjähriger Untersuchungen mit Weiserflächenpaaren verglichen. Das Ergebnis: Es gibt ihn nicht, den durchwegs negativen und eindeutigen Einfluss der Huftiere auf die Baumartenvielfalt und das Wachstum. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, und jeder Standort reagiert ein bisschen anders. Die günstigen Wildauswirkungen und die ungünstigen halten sich dabei die Waage. Entmischung der Baumartenvielfalt – eine oft niedergeschriebene “Befürchtung” in den in Bayern angewandten “Gutachten” – ließ sich in den Studienflächen nicht bestätigen. Einzig das Höhenwachstum wird durch Wildverbiss gebremst. Nach 20 bis 30 Jahren sind die Bäume, die hinter Zäunen aufwuchsen, etwas höher als die ungezäunten Individuen. Wie sich das zum Zeitpunkt der Holzernte 80 Jahre später darstellt, kann nur spekuliert werden.
Insgesamt folgern die Wissenschaftler aus Wien, dass der Einfluss von Wildtieren auf den forstlichen Aufwuchs eben vielfältig ist und sehr von den jeweiligen Standortbedingungen und den forstlichen Eingriffen und Wirtschaftsweisen abhängt. Je naturnäher ein Waldort, desto weniger Einfluss nehmen Wildtiere auf die Entwicklung. Und einen weiteren Vorschlag machen die Forscher: Mit einer guten Lenkung des Wildes weg von schadenanfälligen Waldbereichen lässt sicher mehr erreichen als mit jagdlichem Dauerfeuer.
Der Artikel ist in englischer Sprache mit einer deutschen Zusammenfassung am Schluss.
Den Link zum kostenlosen Download der Studie findet Ihr hier
Bildquelle: F. Reimoser