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Donnerstag, 14. August 2025

14. August 2025, 18:00    office@wildes-bayern.de

Schlechte Nachricht: Fungizid schädigt Spatzen


Das in der Landwirtschaft weit verbreitete Anti-Pilzmittel Tebuconazol schädigt offenbar Jungvögel von Spatzen und beeinträchtigt den Fortpflanzungserfolg von Haussperlingen – so lautet das erschreckende Ergebnis einer aktuellen Studie aus der Schweiz, über die jetzt das Forum Biodiversität Schweiz berichtet hat.

Der Einsatz von Pestiziden gilt als eine der Hauptursachen für den Rückgang von Vögeln der Agrarlandschaft. Die neue Studie hat den Einfluss von Tebuconazol erforscht, einem der häufigsten Fungizide in der EU und der Schweiz.

Die Forschenden verglichen zwei Gruppen von Haussperlingen in Gefangenschaft: Eine Kontrollgruppe ohne Belastung und eine Versuchsgruppe, die Tebuconazol in typischen Umweltkonzentrationen ausgesetzt war. Im Rahmen anderer Studien ist Tebuconazol in der Luft, im Boden und im Wasser nachgewiesen worden, vor allem in Oberflächengewässern. Der Wirkstoff ist eins der am häufigsten von Offenlandvögeln aufgenommenen Pestizide. Weil nachgewiesen wurde, dass er von weiblichen Tieren in die Eier gelangt, lag die Sorge nahe, dass Tebuconazol die Fortpflanzung beeinträchtigen könnte.

Die erwachsenen Vögel zeigten im Experiment zunächst keine Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit oder des Brutverhaltens. Problematische Effekte wurden erst nach dem Schlüpfen sichtbar. Die dem Fungizid ausgesetzten Nestlinge wiesen ein verringertes Wachstum auf und waren etwa ein Zehntel kleiner als die Küken der Kontrollgruppe. Besonders alarmierend war die Sterblichkeitsrate nach dem Ausfliegen: Sie lag bei den exponierten Jungvögeln bei etwa 47 Prozent – mehr als doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe mit nur 20 Prozent.

Auffällig war auch, dass weibliche Jungvögel besonders empfindlich auf die Tebuconazol-Exposition reagierten. Fallen viele weibliche Tiere aus, die ja die Träger der Reproduktion sind, wirkt sich das negativ auf die Populationsdynamik aus, weil nicht mehr so viel Nachwuchs zur Welt kommt.

Die Forschenden weisen darauf hin, dass Fungizide wie Tebuconazol unterschätzte Risikofaktoren für den Rückgang von Vogelbeständen in Agrarlandschaften sein könnten. Die verminderte Überlebensrate der Jungvögel wirke sich direkt auf den Reproduktionserfolg und damit auf die Bestandsentwicklung der Arten aus.

Die vollständige Studie findet Ihr hier

 

Eine ausführliche deutsche Zusammenfassung haben wir zudem hier für Euch angehängt:

Warum Fungizide ein stilles Risiko für die Artenvielfalt sind

Die Nachricht ist alarmierend: Feldvögel wie Lerchen, Stare oder Sperlinge sind in Europa in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen. Über 60 % weniger Feldvögel seit den 1980er Jahren, ein ökologischer Notstand, der das „Singen der Felder“ verstummen lässt.

Ein immer deutlicherer Verdacht fällt auf Pestizide. Während Insektizide schon lange als Mitverursacher gelten, standen Fungizide bisher kaum im Fokus. Dabei machen sie fast die Hälfte aller verwendeten Spritzmittel in Europa aus, besonders intensiv genutzt in Weinbergen und Obstplantagen. Neue Forschung zeigt nun: Auch Fungizide können für Vögel hochgefährlich sein.

Tebuconazol im Visier der Forschung

Ein spezieller Stoff, der hier im Mittelpunkt steht, ist Tebuconazol, ein weit verbreitetes Triazol-Fungizid. Es wird gegen Pilzkrankheiten eingesetzt, findet sich aber inzwischen überall in der Umwelt, in Böden, in Gewässern und sogar im Blut vieler wildlebender Vögel.

Um die Folgen besser zu verstehen, haben Wissenschaftler*innen den Haussperling (Passer domesticus) untersucht, eine Vogelart, die eng mit Landwirtschaftsflächen verbunden ist. Die Versuchstiere wurden über neun Monate hinweg entweder mit normalem Wasser oder mit Wasser, das realistische Mengen Tebuconazol enthielt, versorgt. Anschließend wurde ihr Fortpflanzungserfolg und die Entwicklung der Jungvögel beobachtet.

Unsichtbare Effekte: Eier normal, Küken geschwächt

Die Resultate waren erstaunlich eindeutig: Weder die Anzahl gelegter Eier noch die Schlupfraten unterschieden sich zwischen behandelten und unbehandelten Gruppen. Auf den ersten Blick schien also alles unbedenklich. Doch der entscheidende Unterschied zeigte sich nach dem Schlüpfen: Küken aus belasteten Gelegen wuchsen langsamer, hatten eine geringere Körpergröße und bei ihnen war die Sterblichkeit nach dem Ausfliegen deutlich erhöht. Besonders weibliche Küken starben weit häufiger als die männlichen. Die Folge ist ein schleichender, schwer nachweisbarer Schaden, der die Überlebensfähigkeit der Population bedroht.

Wie Tebuconazol wirkt – mögliche Mechanismen

Die Forschenden sehen mehrere Ursachen, wie Tebuconazol den Nachwuchs beeinflussen könnte.

  1. Übertragung schon im Ei: Das Fungizid kann von der Mutter ins Ei gelangen. So sind Küken bereits vor dem Schlupf belastet. Dies könnte die Nährstoffqualität und hormonelle Ausstattung im Ei verändern und langfristige Entwicklungsstörungen auslösen.
  2. Beeinträchtigte Elternfürsorge: Es gibt Hinweise, dass Pestizide das Verhalten von Elternvögeln beeinflussen, etwa das Brüten oder die Fütterung der Jungen. Wenn Tebuconazol die Fürsorge mindert, würden Küken weniger versorgt und dadurch in ihrer Entwicklung zurückbleiben.
  3. Störung der Hormonsysteme: Tebuconazol wirkt als sogenannter endokriner Disruptor. Es hemmt u. a. das Enzym Aromatase, das männliche in weibliche Hormone umwandelt. Dadurch geraten zentrale Steuerprozesse des Wachstums und der Knochenentwicklung ins Wanken. Studien zeigen außerdem einen Einfluss auf Schilddrüsen- und Wachstumshormone, die für Skelettentwicklung und Stoffwechsel entscheidend sind.
  4. Hoher Energieaufwand für Entgiftung: Schon das Entgiften kostet Küken wertvolle Energie. Diese fehlt dann für Wachstum, Organentwicklung oder ein starkes Immunsystem.

Warum vor allem Weibchen leiden

Auffällig war, dass die negativen Effekte besonders stark bei weiblichen Küken auftraten. Eine mögliche Erklärung ist, dass Weibchen mehr Tebuconazol im Körper ansammeln können oder es schlechter abbauen. Zudem sind sie hormonell besonders sensibel für Störungen im Östrogenhaushalt. Gerade weil Weibchen für die Fortpflanzung der Population unverzichtbar sind, wiegt diese Geschlechterdifferenz besonders schwer.

Ein unterschätztes Risiko für die Landwirtschaft

Die Studie zeigt erstmals klar, dass auch Fungizide Landvögel gefährden können, und zwar schon bei realistischen, niedrigen Umweltkonzentrationen. Weil die Tiere zunächst ganz normal brüten, bleibt der Schaden oft unbemerkt. Tatsächlich aber sind die Überlebenschancen der Jungtiere massiv reduziert. Für landwirtschaftlich geprägte Regionen wie Weinberge oder Obstplantagen bedeutet das, dass Wirkstoffe wie Tebuconazol eine bislang unterschätzte Rolle beim Rückgang der Biodiversität spielen.




Wendt schrieb:


Ein weiterer eindrucksvoller Beweis, dass die intenive Landwirtschaft Hauptverursacher des Artensterbens ist. Dennoch wird diese Tatsache immer häufiger von Naturschutz-, aber auch Tierschutzverbänden, Medien und der Politik verschwiegen. Sie alle sind zur Kriecher der Agrarlobby verkommen. Welch Armutszeugnis! Stattdessen in regelmäßigen Abständen Spenden-Bettelbriefe für den Schutz der Arten, anstatt mal endlich an die Tür des Deutschen Bauernverbands zu klopfen und Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe für die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen, der Tierarten und der Natur zu fordern. Der Bauernverband steht finanziell dank stetem Geldfluss, angeschoben von der bauernlobbygesteuerten Politik und finanziert mit unseren Steuergeldern, bestens da. Denn warum soll der Bürger für den Erhalt der Arten und den Schutz der Natur spenden, wenn es doch die Profitgier vieler Bauern ist, die Arten und Natur unwiderbringlich vernichtet.

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Knoll schrieb:


Da kann ich nur zustimmen. Passt!!! Diese Politiker, ob nun auf Bundes- oder Landesebene, ob in einer Kommune oder in einer Behörde, das Prinzip der Arbeitsweise und der Abhängigkeiten zu „Stimmen – und Spendengebern“ sind immer gleich. Das wird immer mehr ersichtlich. Und daß sich diese „Institutionen“ auch immer mehr verselbständigen und von oben entscheiden, ohne Rücksicht vor den Auswirkungen und den Betroffenen, das ist wohl der Trend der derzeitigen Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Das kann man auch wieder bei der letzten Abstimmung in den EU-Behörden zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat feststellen.

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