Am Fuderheuberg im Berchtesgadener Land ist am 26. Januar ein Jagdgast aus Hessen bei der Gamsjagd in einer Schonzeitaufhebungsfläche abgestürzt und ums Leben gekommen. Darüber berichten Polizei, Medien und Bergretter. Der 49-Jährige war in dem steilen, wegen Regens sehr rutschigen Bereich auf der Jagd nach Gams, ein weiterer Jagdgast des Forstbetriebs, ein 30-jähriger Niedersachse, war in einem anderen Bereich am selben Berg unterwegs. Der 49-Jährige erlegte ein Stück, das 50 Meter weit in eine Rinne abstürzte. Als er versuchte, es zu erreichen, kam er selbst ins Rutschen und fiel 200 Meter weit durch fels- und baumdurchsetztes Gelände.
Nach seinem Sturz konnte der Jagdgast noch einen Notruf absetzen, wusste aber dabei nicht zu sagen, auf welchem Berg er sich befand. Es gelang den Helfern, den Kontakt zum zuständigen Revierjäger herzustellen, der sich aber auf einem anderen Berg befand. Letztlich konnte der Jagdgast aus Niedersachsen, der vom Unfall zuerst gar nichts mitbekommen hatte, die Bergretter samt Notarzt im Helikopter zu dem verunglückten Kollegen am Berg einweisen. Der Verunfallte war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr am Leben und wurde später von einem weiteren Hubschrauber der Polizei geborgen. Laut Medien waren 15 Bergretter, 3 Krisenhelfer, der Rettungshubschrauber “Christoph 14” und der Polizeihubschrauber “Edelweiß 5” wegen des Absturzes im Einsatz.
Wie konnte dieses Unglück passieren?
Am Fuderheuberg im Staatsforstbetrieb Berchtesgaden (BaySf) gibt es eine knapp 170 Hektar große so genannte Schonzeitaufhebungsfläche, das sind Flächen, wo die Schonzeit des Wildes per Verordnung der Regierung von Oberbayern ausgesetzt ist. Dies geschieht aus unserer Sicht, um künstlich eingebrachte Baumschulware ohne jegliche Schutzmaßnahmen unverbissen wachsen zu lassen. Ob die Pflanzen dabei überhaupt langfristig überleben können, und ob man das schmackhafte Pflanzgut in den typischen Überwinterungsflächen des Gamswildes nicht vielleicht doch schützen sollte, bleibt bei der Ausweisung der Schonzeitaufhebungsflächen unberücksichtigt. Auf jeden Fall will der Forstbetrieb aus diesen Flächen jegliches pflanzenfressende Schalenwild, also Gams, Hirsch und Reh, vor allem in der Notzeit des Hoch- und Spätwinters, erlegen oder “letal vergrämen”, wie es heißt. Insgesamt 21 derartige “Tötungsflächen” fürs Wild hat allein der Forstbetrieb Berchtesgaden in Betrieb. “Ziel ist es, durch ausgewählte Abschüsse von vorrangig männlichem Wild ausreichende Vergrämungseffekte dahingehend zu erzielen, dass diese Flächen möglichst wildfrei gehalten werden”, schreibt das Ministerium auf seiner Internetseite über die Schonzeitaufhebungsflächen.
Laut der internen Anweisung zur Jagdausübung in den bayerischen Staatsforsten dürfen in den Schonzeitaufhebungsflächen grundsätzlich nur Betriebsangehörige sowie ein paar wenige, ortskundige, besonders verlässliche weitere Schützen die Jagd während der Schonzeit ausüben. Ob der verunglückte Jäger aus Hessen diese Kriterien erfüllte, werden vielleicht die Polizei und die Staatsanwaltschaft Traunstein ermitteln.
Uns vom Wilden Bayern fällt auf, dass im Forstbetrieb Berchtesgaden ein hoher Anteil der Tiere während der Notzeit in den Schonzeitaufhebungsgebieten erlegt werden, und zwar bevorzugt an Wochenenden, Feiertagen oder in den Ferien. Das macht natürlich Sinn, wenn die erfahrenen, ortskundigen Gamsjäger erst aus der halben Bundesrepublik anreisen müssen.
Der Unfall ist übrigens nicht der erste seiner Art: Schon vor zwei Jahren musste – am Karfreitag – eine Jägerin von den Bergrettern der Region von einem misslungenen Jagdausflug geborgen werden. Sie kam im Vergleich dazu beinahe aus der Nähe, nämlich aus Baden-Württemberg!
Die aktuelle Pressemeldung der Retter vom Roten Kreuz zum Absturz des hessischen Jägers findet Ihr hier
Die entsprechende Pressemeldung des BRK von 2022 über den Absturz der Jägerin im Lattengebirge 22 findet Ihr hier und einen Artikel über das Ereignis hier
Bildquelle: Markus Leitner/BRK
Karma!
So tragisch die Geschichte mit dem verunfallten Jäger auch ausgegangen ist, sie hätte nicht sein müssen, wenn es die widernatürliche und wildfeindliche Schonzeitaufhebung nicht gäbe. Auch die Bergwachtler sind bestimmt nicht begeistert, wenn es einen Risikofaktor mehr im unwegsamen Gelände gibt.