„The end of the American dream“ – unter diesem Titel veröffentlichten Wissenschaftler aus Mailand und New York eine neue genetische Studie, die aufzeigt, in welch überraschender Weise die Rauchschwalbe (Hirundo rustica) sich über die Erde verbreitet hat. Dabei kam nämlich unter anderem ans Tageslicht, dass eine Gruppe von Rauchschwalben aus Amerika wieder ausgewandert ist.
Das internationale Forscherteam unter der Leitung von Gianluca Lombardo hat über 580 vollständige mitochondriale Genome (sogenannte mtDNA) dieser Vogelart analysiert und dabei eine genetische Reise durch Raum und Zeit rekonstruiert.
Die mtDNa wird ausschließlich über die mütterliche Seite vererbt und bleibt so über die Generationen hinweg intakt. Darum eignet sie sich besonders, um die historische Ausbreitung von Populationen rückverfolgen zu können.
Diese Zeitreise erbrachte bei der Rauchschwalbe ein erstaunliches Ergebnis: Die Art, die wir bei uns vor allem als Bewohner von Bauernhöfen und ländlichen Strukturen kennen, ist genetisch ein echter Kosmopolit! Diese Studie zeigt eindrucksvoll, wie moderne Genomik das Bild der Artenvielfalt verändert. Die Rauchschwalbe, ein Langstreckenzieher, der hierzulande in Lehmnestern an Hauswänden (gerne im Innern!) brütet, hat eine Geschichte voller Umwege, Kreuzungen und Rückkehrbewegungen hinter sich.
Diese Vögel, die sich ja äußerlich alle ähneln, sind genetisch völlig divers und waren in der Lage, sich im Laufe der Evolution an verschiedenste Lebensräume anzupassen.
Die genetischen Wurzeln der gesamten Rauchschwalbenpopulation reichen bis ins südliche Afrika zurück. Von dort aus verbreiteten sich die Vögel über viele Jahrtausende bis nach Europa, Asien und Amerika.
Die Forscher entdeckten fünf große genetische Linien, sogenannte Haplogruppen, die sich vor bis zu 300.000 Jahren zu entwickeln begannen. Eine davon – Haplogruppe E – war bisher völlig unbekannt. Sie gehört zur asiatischen Unterart H. r. tytleri und stammt laut Analyse von der amerikanischen Unterart H. r. erythrogaster ab. Mit anderen Worten: Eine Gruppe von Rauschschwalben wanderte von Amerika nach Asien zurück.
Ein weiteres spannendes Ergebnis betrifft die Vermischung der Unterarten. In mehreren geographischen Zonen – etwa im Nahen Osten, Sibirien oder China – treffen sich unterschiedliche Unterarten und paaren sich. Das führt zu genetischen Mischformen: So gibt es beispielsweise Vögel mit dem Aussehen einer europäischen Rauchschwalbe, aber dem Erbgut einer afrikanischen oder asiatischen Verwandten.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch eine Unterart aus Israel, H. r. transitiva. Lange war umstritten, ob es sich dabei wirklich um eine eigenständige Unterart handelt. Die neuen Daten sprechen nun klar für eine eigene genetische Linie – was auch für den Artenschutz relevant sein könnte.
Die Studie zeigt mal wieder eindrucksvoll, was alles noch gar nicht bekannt ist über Arten, die wir vielleicht sogar täglich sehen. Das ruft wiederum ins Bewusstsein, wie wichtig es ist, auch noch so unscheinbare Arten zu schützen.
Die original Studie in englischer Sprache könnt Ihr hier nachlesen
Ein Porträt der Rauchschwalbe findet Ihr hier