Presseinformation Waldrappteam Conservation & Research
“Noch nie war die Brutsaison in der Waldrapp-Kolonie Burghausen in Bayern so erfolgreich wie in diesem Jahr. Insgesamt 23 Jungvögel wurden in sieben Nestern flügge, im Schnitt 3,3 Jungvögel pro Nest. Das weist auf einen hervorragenden Lebensraum für diese bedrohte Zugvogelart hin und ist ein wichtiger Erfolg für das Europäische LIFE-Projekt zur Wiederansiedlung einer europäischen Waldrapp-Population. Dieses Projekt wird von zehn Partnern unter Leitung des Tiergarten Schönbrunn umgesetzt.
Doch wie schon in vorangegangenen Jahren wurde auch nun wieder ein bedeutender Teil des Erfolges auf tragische Weise zunichte gemacht. Drei Jungvögel und der männliche Elternvogel wurden von der Projektmitarbeiterin Corinna Esterer tot unter einem Strommast in der Gemeinde Tarsdorf aufgefunden: Gestern habe ich diese Familien noch bei der Nahrungssuche beobachtet. Dabei ist mir dieser ungesicherte Abspannmast schon aufgefallen, denn solche Mastentypen sind besonders gefährlich. Und heute finde ich die vier toten Vögel unter genau diesem Mast, alle mit Verbrennungen und inneren Blutungen. Das ist ein schockierender und zutiefst frustrierender Anblick!
Alarmiert war das Projektteam schon am frühen Sonntag-Morgen, 23. Juli, als der GPS-Sender des Elternvogels den Tod des Tieres signalisierte. Die Jungvögel tragen noch keine Sender. Deshalb wurde erst vor Ort offensichtlich, dass auch drei Jungvögel betroffen waren.
Da ein Großteil der Vögel dieser Waldrapp-Population seit vielen Jahren mit GPS-Sendern ausgestattet ist, sind die Todesursachen bei den Waldrappen gut bekannt. Johannes Fritz, Manager des LIFE-Projektes: Stromschlag auf ungesicherten Mittelspannungsmasten verursacht bei den Waldrappen rund 45% der Todesfälle, es ist die mit Abstand häufigste Todesursache. Und auch für zahlreiche andere Großvogelarten stellen diese Masten eine ähnlich große Bedrohung dar. Seit Jahren weisen wir auf diese menschengemachten Todesfallen hin.
Bereits 2018 sind nur sechs Kilometer vom aktuellen Unfallort entfernt fünf Waldrappe auf einem ungesicherten Mast in der Gemeinde Hochburg-Ach umgekommen. Der betreffende Stromnetzbetreiber Netz Oberösterreich GmbH hat daraufhin den Mast umgehend gesichert und in Folge auch weitere Masten im Gemeindegebiet Hochburg-Ach nachgerüstet. Die Sicherung weiterer Risikomasten in Oberösterreich, Salzburg und Kärnten sind im Rahmen des laufenden LIFE-Projektes geplant.
Johannes Fritz: Wir können im Rahmen des Projektes gemeinsam mit den Stromnetzbetreibern nur Risikomasten im nahen Umfeld der Brutgebiete sichern. Der aktuelle tragische Fall in Tarsdorf zeigt aber sehr deutlich, dass die Waldrappe und viele andere Vogelarten nur durch eine großräumige, umfassende Nachrüstung von Strommasten ausreichend geschützt werden können. Angesichts der aktuellen, massiven Bedrohung unserer Artenvielfalt ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Die tödliche Gefahr für Großvögel durch ungesicherte Strommasten lässt sich durch technische Maßnahmen, wie Abdeckhauben oder Isolierung der Leitungen, gut vermeiden. In Deutschland wurden auf Basis einer gesetzlichen Regelung in den letzten Jahren die Mittelspannungsmasten durch die Stromnetzbetreiber flächendeckend gesichert. Insbesondere bei der Burghauser Brutkolonie zeigt sich die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sehr deutlich. Während auf bayerischer Seite seit Jahren keine Verluste mehr durch Stromschlag zu verzeichnen sind, kommt es über der Salzach auf oberösterreichischer Seite Jahr für Jahr zu massiven Verlusten, wie auch im aktuellen Fall.
Johannes Fritz: Stromtod ist vermeidbar! Wir fordern die politischen Entscheidungsträger auf, auch in Österreich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für flächendeckende und effektive Maßnahmen gegen Stromtod zu schaffen. Es ist zudem sehr bedauerlich, dass in der Schweiz kürzlich ein entsprechender Gesetzesentwurf auf Betreiben der Stomnetzbetreiber zurückgestellt wurde.
(c)Waldrappteam Conservation and Research
Bildquelle: (c)Waldrappteam Conservation and Research, (c)Waldrapp Conservation Team - M Quevedo