Der bekannte Ornithologe und Naturschützer Dr. Dieter Haas hat uns einen Aufruf zugeschickt, den wir gerne verbreiten und hoffen, dass viele Vogelfreunde, Falkner und Naturfreunde jetzt noch genauer hinschauen:
Liebe NaturschützerInnen,
am 13.12.2020 habe ich bei meinem Dorf (Albstadt-Pfeffingen) einen offensichtlich gut verwilderten Wüstenbussard (Harris`Hawk, Parabuteo unicinctus) beobachtet, einen Altvogel, wahrscheinlich Männchen (Größe und Gestalt, ich kenne die Art gut aus dem Freiland und über einen Pflegling, nach Einlieferung eines entflogenen, illegal gehaltenen Gefangenschaftsvogels in meine Pflegestation). Das scheint mir interessant aus Gründen des Artenschutzes, da es in England schon zu einer erfolgreichen Mischbrut mit einem Mäusebussard Im Freiland gekommen ist. Daher einige Zeilen zur Beobachtung:
Aufmerksam wurde ich durch einen lautstark mobbenden Trupp aus Rabenkrähen und Elstern in einem Feldgehölz, unter dem ein auffallend dunkler Bussard saß. In Deckung eines Gebüschs pirschte ich mich an. Die Rabenvögel flüchteten, der Greif kam direkt auf mich zu, blockte auf in 20 m Entfernung in einem Baum, sicherte kurz, musterte mich und flog rasch in die Gegenrichtung ab. Ich erkannte zweifelsfrei einen adulten ausgefärbten Wüstenbussard mit vollem Kropf und ohne Geschüh. Ich folgte ihm in diese Richtung auf einem verschneiten Feldweg ca 1 km weit. Habe den getarnt in einem Gehölz sitzenden Vogel nicht wieder entdeckt, bis er auf einer Distanz von ca. 15 m gewandt abstrich und sehr rasch ein nahes bewaldetes Tal hinunter verschwand. Das Verhalten glich einem Habicht. Wahrscheinlich hat er eine Elster oder Krähe erbeutet und provozierte dadurch die extrem lebhafte Reaktion des mobbenden Trupps. Nach dem auffälligen Verhalten der Rabenvögel zu urteilen hielt sich der Vogel wohl noch einige Tage im bewaldeten Tal auf, ist aber inzwischen weiter gezogen.
Die Art ist nach Färbung, Flugbild und Verhalten unverwechselbar, aber sicher nicht jedem Orni hier bekannt. Erste Mitteilungen in einem online-Portal führten zu kritischen Nachfragen, auch ist die Art noch nicht als Ausnahmeerscheinung in europäischen Feldführern und Greifvogelfachbüchern beschrieben. Ich habe daher ein typisches Flugbild eines Altvogels angehängt, aufgenommen in einem Nationalpark in Argentinien (Anhang 1). Die Art ist monotypisch und leicht zu bestimmen. Es gibt lediglich 2 nicht generell anerkannte Unterarten. Südamerikanische Altvögel unterscheiden sich lediglich durch geringe weiße Fleckung von den stets einfarbig dunkel gefärbten Vögeln nördlicher Populationen (die i.a. in Europa gehalten und als Beizvögel verwendet werden, s. Anhang 2).
Ungewöhnlich einfarbig dunkle Bussarde, die ungewöhnlich stark von Rabenvögeln gemobbt werden, sollten genauer betrachtet werden. Dann kann er vielleicht weiter entdeckt/verfolgt werden.
Naturschutzfachliche Beurteilung: Wüstenbussarde sind sehr gewandte Jäger und fähig zur Erbeutung relativ großer Beutetiere. Sie werden daher auch gerne von Falknern gehalten und eingesetzt. Entflogene Vögel können sich offensichtlich gut im Freiland etablieren und ggf auch fortpflanzen.
Zusätzlich zeigen entflogene, zur Beizjagd abgerichtete Greifvögel bisweilen ungewöhnliche Jagdstrategien. Am Bodensee hat ein entflogener Wanderfalke mit Geschüh lange als Fußgänger die auf eingezäunten Brutflößen nistende Möwenkolonie durch den Verzehr kleiner Jungvögel geplündert (weiteres s. jüngster OAB-Rundbrief von der Brutzeit 2020). Und ein zur Jagd auf Krähen abgetragener Großfalke (Hybrid SakerxGerfalke) hat statt Krähen anzupeilen lieber Kornweihen erbeutet.
Ich empfehle dringend die Entnahme entflogener Wüstenbussarde aus der Natur, ihre Aufnahme als Ausnahmeerscheinungen in heimische Bestimmungsbücher, und um besondere Beachtung der Art in der Feldornithologie.
Herzliche Grüße von der rauhen Alb und beste Feiertags- und Neujahrswünsche
Dr. Dieter Haas
Zillhauserstr. 36
72459 Albstadt-Pfeffingen
Tel. 07432/3021
Mobil 01714683704
Bildquelle: (c)Dieter Haas Wüstenbussard (Parabuteo unicinctus; Harris`s Hawk oder Bay-winged Hawk) ad., (c)Manfred Richter auf Pixabay - Harris Hawk