Wir haben schon diverse Mal über das Waldrappteam berichtet. Nun gibt es neue Infos:
Am 1. September, nach einer Reise von 14 Tagen ist das Waldrappteam mit 28 jungen Waldrappen am Rande des WWF Schutzgebietes Oasi Laguna di Orbetello in der südlichen Toskana angekommen. Bereits bei der Landung gesellten sich wilde Waldrappe zur Gruppe der Jungvögel. Sie haben damit ihr Wintergebiet erreicht. Hier werden sie vorerst bleiben bis sie nach zwei bis drei Jahren in ihr Brutgebiet in Österreich zurückkehren um dort Nachkommen aufzuziehen.
Für die beiden Ziehmütter Helena Wehner und Katharina Huchler ist der Zeitpunkt des Abschiedes gekommen. Fünf Monate lang haben sie Tag für Tag mit den Waldrappen verbracht. In dieser Zeit hat sich nicht nur eine enge soziale Bindung der Jungvögel an die menschlichen Ersatzeltern entwickelt, diese Bindung ist beidseitig. Ziehmutter Huchler: „Die jungen Waldrappe sind für uns zu Persönlichkeiten geworden, jeder Vogel hat seine ganz speziellen Eigenarten“ und weiter „Natürlich bin ich froh, dass unsere Vögel sich nun in diese europäische Population integrieren und ich in ein ‚normales Leben‘ zurückkehren kann. Aber trotzdem schmerzt die Vorstellung, sie in wenigen Tagen verlassen zu müssen.“
Instabile Wetterbedingungen, die schon das zwei Monate dauernde Training prägten, verursachten gleich zu Beginn der 14. menschengeführten Migration eine zweitägige Verzögerung. Regenfronten, Gewitter und schwierige Windbedingungen beeinflussten dann auch ab 19. August den Verlauf der Migration. Und doch sollte es zur bislang erfolgreichsten Migration werden, denn Profipilot Walter Holzmüller verstand es für alle fünf Migrationsetappen den jeweils richtigen Tag auszuwählen. Walter Holzmüller: „Ich nehme jetzt schon zum zwölften Mal als Pilot an der Migration teil. Die Planung der Flüge über so weite Strecken und so schwieriges Gelände war noch nie so anspruchsvoll wie in diesem Jahr. Aber mit viel Glück und Erfahrung gelang es uns die richtigen Flugtage zu wählen und so erreichten wir das Wintergebiete in fünf phantastischen Flugetappen und ohne Zwischenfälle.“
Die fünf Flugetappen führen über eine Strecke von 770 km von Seekirchen am Wallersee bis in die südliche Toskana. Das Pfitscher Joch (2.246 m) am Übergang vom Zillertal nach Südtirol konnte in einer Höhe von über 2.800 Meter überflogen werden. Auf einem Modellflugplatz in Neustift bei Brixen zwangen uns ungünstige Windverhältnisse zu einer Pause von vier Tagen. Dafür erreichten wir bei der folgenden Flugetappe vorbei an den Dolomiten nach Thiene am Rande der Poebene danke unterstützendem Rückenwind mit 58 km/h die bislang höchste mittlere Fluggeschwindigkeit, mit Maxima bis zu 78 km/h. Projektleiter und zweiter Pilot Johannes Fritz: „Die Eigengeschwindigkeit der Vögel und Fluggeräte liegt bei etwa 40 km/h. So gute Windunterstützung ebenso wie thermische Aufwinde sind Geschenke der Natur, die das Fliegen für die Vögel und die Piloten extrem energieeffizient machen.“
Die beiden Piloten sind sich einige, dass die wahren Helden dieser Migration die 28 Jungvögel und ihre Ziehmütter waren. Johannes Fritz: „Wir konnten die Methodik der menschengeführten Migration in den letzten Jahren stetig optimieren. Aber dass Waldrappe derart motiviert und zuverlässig mitfliegen wie das in diesem Jahr der Fall war haben wir alle nicht erwartet.“ Auch im schwierigen Gelände der Alpen und des Apennin folgten die Vögel zuverlässig. Sie flogen meist in energiesparendem Formationsflug, ließen sich aber auch gemeinsam mit den Fluggeräten in Aufwinden bis in die Gletscherregion der Zillertaler Alpen hochtragen.
Die erfolgreiche Migration trägt zum Überleben der europäischen Waldrapp-Population bei, die inzwischen annähernd 200 Tiere umfasst. Begonnen hat die Wiederansiedlung dieser migrierenden Population 2014 im Rahmen eines europäischen LIFE Projektes. Vorausgegangen ist eine 13 Jahre dauernde Machbarkeitsstudie. Ab 2022 beginnt ein zweites, siebenjähriges LIFE Projekt, in dessen Rahmen die Wiederansiedlung fortgeführt und abgeschlossen werden soll. Johannes Fritz: „Diese erfolgreiche Migration ist ein Beispiel für die immer umfangreicheren Möglichkeiten des modernen Artenschutzes und ein Grund zur Hoffnung für das Überleben der Waldrappe. Wir wollen unsere Methode aber auch bei anderen Zugvogelarten zur Anwendung bringen, denn die Anzahl bedrohter Arten nimmt weltweit rasant zu und stellt den Artenschutz vor sehr große Herausforderungen.“
Die illegale Jagd in Italien ist nach wie vor eine Hauptbedrohung für die Waldrappe. Das Risiko eines Abschusses betrifft auch diese 28 Jungvögel nach ihrer Freilassung. Ziehmutter Helena Wehner erinnert sich: „Als während des Flugtrainings ein Jungvogel verunglückt ist hat es sich angefühlt wie der Verlust eines Freundes.“ So macht sie sich natürlich auch Sorgen um die Sicherheit der unerfahrenen Jungvögel in der Toskana: „Die Vorstellung, dass einer unserer Vögel illegal abgeschossen wird und so sinnlos sterben muss, ist sehr schlimm für mich. Damit wird nicht nur das Überleben dieser Art gefährdet, sondern auch ein hoffnungsreiches Leben ausgelöscht.“
Weitere Infos über das Waldrappteam findet Ihr hier… sowie unter waldrappteam.eu…
Bildquelle: (c)Waldrappteam.eu