Das früher selbstverständliche Füttern von Vögeln auf dem Balkon oder im Garten wird immer mehr hinterfragt. Ist der Meisenknödel am Fenster wirklich ein Beitrag zum aktiven Naturschutz, oder dient er nur zur persönlichen Belustigung? Darf der Mensch den Arten aktiv helfen, denen er zuvor das Leben schwer gemacht hat, denen er Lebensräume zerstört, Wanderwege zerschnitten, Nahrungsgrundlagen vernichtet, Rückzugsräume gekündigt hat?
Ideologisch standfeste Naturschützer argumentieren: Füttern ist ein künstlicher Eingriff! Der Mensch soll sich nicht einmischen, vielleicht macht er ja alles noch schlimmer. Dabei schimmert eine Haltung durch, die eher die Anpassung der Natur an die Industrielandschaften Mitteleuropas empfiehlt. Das Vogelfüttern falle der natürlichen Selektion in den Arm, lautet ein Argument. Ein anderes: Fettgefütterte Wintervögel nehmen den Zugvögeln im Sommer Nistplatz und Insektenfutter weg. Jungvögel werden mit falschen Körnerfutter totgefüttert, und Futterstellen sind Brutstätten für Krankheitserreger.
Eine Fülle von wissenschaftlichen Studien hat diese Behauptungen allerdings zum Teil widerlegt. Sie zeigen: Ein Futterangebot in der Brutzeit hält die Elternvögel fit. Gut konditionierte Vögel haben ein deutlich robusteres Immunsystem und werden mit Infektionen besser fertig. Deshalb sind die Ergebnisse fast aller Studien rund um das Vogelfüttern eindeutig: Dort wo das ganze Jahr hindurch Futter angeboten wird, sind die Bruterfolge der Singvögel nicht so stark eingebrochen wie in Vergleichsgebieten ohne Futterhäuschen.
Die Nistkastenbesetzung von Staren, Meisen, Kleibern, Feldsperlingen und Rotschwänzen hat sich zum Beispiel nach Einführung der Ganzjahresfütterung in einem Versuchsgebiet in Baden-Württemberg nahezu verdoppelt. Das ist nicht verwunderlich: Jungen großziehen ist für die kleinen Singvögel Schwerstarbeit. Gartengrasmücken füttern an langen, hellen Sommertagen täglich über 18 Stunden ihre Brut. Dort, wo auch in dieser Zeit noch zugefüttert wird, können die Vögel früher Eier legen, sie legen auch mehr und aus den Eiern schlüpfen kräftigere Junge.
Für eine Studie aus Nordamerika hat eine Wissenschaftlerin in der Nähe der Nester bestimmter Drosseln Mehlwurmspender platziert und das Schicksal von Eltern und Brut hier mit denen aus Nestern ohne zusätzliches Futter verglichen. Ihre Ergebnisse waren eindeutig: Die zugefütterten Jung-Drosseln hatten nur ein Viertel der Parasiten, mit denen die nicht-zugefütterten Drosseln zu kämpfen hatten. Der Bruterfolg, gemessen an flüggen Jungtieren, war in den Mehlwurm-versorgten Nestern höher. Die kleinen Nestlinge hatten ein deutlich besseres Immunsystem (gemessen an der Menge IgY-Antikörper im Blut) und vertrugen daher Blutverluste durch Nestparasiten besser. Auch ihre Magen-Darm-Flora war vielfältiger und fitter.
Bildquelle: (c)be-outdoor.de - Petra Sobinger
Auch ich füttere die Gartenvögel das ganze Jahr.
Und meine Hühner bekommen auch Mehlwürmer, an denen sich alles bedient, was fliegen und laufen kann (Igel). Trotz der Krähen, Eichelhäher und Elstern, haben wir Spatzen, Kohlmeisen, Blaumeisen, Schwanzmeisen, Haubenmeisen, Rotkehlchen, Amseln, Drosseln, Bundspecht, Grünspecht, Eisvogel, Stare, Kleiber und Bachstrelzen in unserem Garten. Grod zugeh duats.