Der beliebte Hausberg der Münchner ist Schauplatz eines leisen Sterbens – unbemerkt von den meisten Besuchern und Wanderern. Örtliche Natur- und Tierschützen fordern jetzt, dass die lokale Ausrottung einer geschützten Wildart zwischen Heimgarten und Herzogstand eingestellt wird.
Für Ignaz Ott ist der Heimgarten so etwas, wie sein persönlicher Garten. Er kennt jeden Steg und Steig, zu Sommer wie im Winter. Sein ganzes Leben hat der Großweiler hier verbracht und aufmerksam die Natur beobachtet. „Die Gams verschwindet am Heimgarten!“ sagt er seit Jahren und versucht Gehör zu finden. Kann das wirklich sein? Eine Charakterart der bayerischen Berge stirbt aus? Mitten unter uns und unbemerkt? So abwegig ist der Eindruck nicht den Ignaz Ott gewonnen hat.
Wildtierbiologin und Naturschützerin Dr. Christine Miller vom Verein Wildes Bayern e.V. hat sich die Situation vor Ort angeschaut. „ Gamswild ist eine „zerbrechliche“ Tierart. Leicht können Rudel an einem Bergstock so stark bejagt und durch Beunruhigung geschwächt werden, dass sie verschwinden. Das ist seit langem bekannt und deshalb ist die Gams auch nach EU-Recht geschützt,“ erläutert Miller. „Wir sehen den Raubbau an dieser Wildart in Bayern seit Jahren mit großer Besorgnis. Inzwischen ist die Gams sogar auf die „Vorwarnliste der Roten Liste Deutschlands“ gerutscht! Ein Alarmzeichen für Miller und am Heimgarten besonders drastisch zu sehen. Statt den kleinen Rudel mit Geißen und Kitzen sieht Ott seit Jahren weniger und weniger einzelne Gams.
Die Experten des Rote-Liste-Zentrums am Bundesamt für Naturschutz nennen die Gründe für den dramatischen Rückgang der Art deutlich: „Durch die gebietsweise Aufhebung der Schonzeiten und stärkere Bejagung, die mit waldbaulichen Zielen begründet wird, aber oft ohne Rücksicht auf Alters- und Geschlechterstruktur stattfindet, nehmen die Gämsenbestände in Bayern vielerorts ab.“
Vor allem am Heimgarten sind die Gams in eine Knochenmühle geraten. Im Süden ab der Ohlstätter Alm wurde eine „Todeszone“ erst im vergangenen Jahr erweitert. Der Forstbetrieb Bad Tölz schießt hier das ganze Jahr über Gams – ohne jegliche Schonzeit. Im Westen grenzen sogenannte „Eigenbewirtschaftungen“ unter forstlicher Leitung an, die ebenso brutal in die Bestände eingreifen. „Wir erhalten immer wieder Anrufe von Bürgern, die entsetzt sind, wenn sie von den großen Drückjagden mit Hundemeuten erzählen, die dort stattfinden. Oder von unerklärlichen (weil verbotenen) Schüssen in der Nacht berichten. Wir gehen inzwischen gerichtlich gegen diese Naturvernichtung vor.“ Andere Vereine, wie der Deutsche Tierschutzbund in Bayern und die örtlichen Jagdvereine haben Beschwerde bei der EU eingereicht,“ Erläutert Miller den Kampf für die Gams.
Beherzte Gamsfreunde haben inzwischen einen „Trauerweg zum Heimgarten in Gedenken an unsere Gämsen“ ausgerufen. Mit einem Infostand in Kochel machten die AkTIERvisten Oberland“ erst kürzlich auf die dramatische Situation aufmerksam. „Wir brauchen Schutz- und Ruhezonen für das Gamswild,“ bekräftigt Sylia Arlette Greif von den AktTIERvisten. Da kämpfen also Tierschutz-Aktivisten, Naturschützer und Jäger einerseits dafür, dass die Gams am Heimgarten und in Bayern überleben können. Und andererseits machen Grundbesitzer und Förster zusammen reinen Tisch. Miller und die anderen Gams-Schützer appellieren deshalb an die vielen Besucher und Bergfreunde der Region: „Unsere Berge dürfen nicht nur tote Kulisse die Forstwirtschaft werden. Wir müssen wieder Respekt davor haben, dass unsere Berge und Wälder auch Lebensraum von empfindlichen Tieren sind. Bitte, liebe Wanderer, Bergsportler und Ausflügler schaut genau hin und helft uns die Gams in Eurem beliebten Freizeitgebiet und Münchner Hausberg zu erhalten!“ so Miller.
Da die Bayerischen Staatsforsten und das Bayerische Forstministerium jede unabhängige und fachlich solide Bestandeserhebung blockiert, mobilisiert Wildes Bayern e.V. nun die Bevölkerung: In einer Petition, die bis Ende November laufen wird, sammeln die Wildtier-Schützer Unterschriften. „Die Gams muss in Bayern Chefsache werden und darf nicht in den Mühlen einer um eigene Projekte kreisenden Forstverwaltung zerrieben werden!“
Näheres zur Kampagne findet Ihr unter diesem Link…
Bildquelle: (c)Wildes Bayern - Monika Baudrexl