Es gibt Neues von unserem Waldrappteam. Nachfolgen veröffentlichen wir die aktuelle Pressemeldung:
“Der Schweizer Naturforscher Conrad Gessner hat die europäischen Waldrappe noch erlebt und ausführlich beschrieben, bevor sie Anfang des 17. Jahrhunderts in Europa ausgerottet wurden. Seit 20 Jahren läuft eine Wiederansiedlung im Rahmen des europäischen LIFE-Programms (LIFE20 NAT/AT/000049). In diesem Projekt werden Zoovögel ausgewildert, die von inzwischen auch ausgerotteten Beständen in Marokko abstammen. Nun gibt es einen großen, wenn auch überraschenden Erfolg für das Projekt: Erstmals hat ein Waldrapp-Paar in der Schweiz gebrütet, auf einem Gebäude in Rümlang im Kanton Zürich. Zwei Küken sind geschlüpft und wohlauf.
Die beiden Elternvögel, das Weibchen Rupert und das Männchen Enea, sind Erstbrüter und wurden als Teil der Waldrapp-Kolonie in Überlingen am Bodensee, Baden-Württemberg, ausgewildert. Sie sind im Frühjahr aus dem Wintergebiet in der Toskana zurückgekehrt. Allerding haben sie nicht, wie sechs andere Paare dieser Kolonie, in ihrem angestammten Brutgebiet in Überlingen gebrütet, sondern ihr Nest etwa 60 km entfernt am Fenstersims eines Gebäudes in der Gemeinde Rümlang im Kanton Zürich gebaut.
Die Absonderung der beiden Vögel war auch für das Projektteam überraschend, da Waldrappe an sich sehr soziale Vögel sind. Johannes Fritz, Projektmanager und Leiter des Unternehmens Waldrappteam Conservation and Research: „In diesem Jahr beobachten wir Brutversuche außerhalb der Brutgebiete in Italien und in der Schweiz. Das ähnelt dem Verhalten eines Brutpaares im Partnerprojekt in Andalusien, das über Jahre abseits der Kolonie in einem Turm gebrütet hat. Inzwischen ist daraus eine kleine Satellitenkolonie entstanden. Auch die Brut im Kanton Zürich interpretieren wir als den Versuch, neue Brutareale zu nutzen.“
Das Paar in Rümlang hat gute Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein. Eine vom Projektteam kürzlich in der Zeitschrift Remote Sensing veröffentlichte Studie belegt, dass im nördlichen Schweizer Alpenvorland reichlich geeignete Lebensräume für Waldrappe vorhanden sind. Deshalb ist eine längerfristige Zielsetzung des Projektes und der Schweizer Partner, insbesondere mehrere Schweizer Zoos und der Verein wissenschaftlich geleiteter zoologischer Gärten der Schweiz «zooschweiz», eine Brutkolonie im Umfeld des Tierpark Goldau zu gründen. Johannes Fritz: „Wenn dieses Paar die beiden Jungen erfolgreich großzieht, müssen wir das weitere Vorgehen in der Schweiz gemeinsam mit unseren Partnern und den zuständigen Behörden neu abstimmen.“
Vorerst haben die zuständigen Schweizer Behörden das Brutpaar gemäß den rechtlichen Bestimmungen unter Schutz gestellt und das Waldrappteam mit dem Monitoring beauftragt. Die in Zusammenarbeit mit dem Zoo Zürich installierte Web-Kamera ermöglicht nun eine durchgehende Überwachung der Brut.
Das Nest befindet sich am Gebäude der neuen Harley-Davidson Niederlassung bei Zürich. Anfangs war man dort über die unerwarteten und anfangs auch unbekannten Gäste weniger erfreut, da sie die neue Fassade verschmutzten. Seit aber die zuständige Baufirma, in Abstimmung mit dem Waldrappteam, unentgeltlich einen Fassadenschutz abgebracht hat, freut sich Yannick Bardy, der Betriebsleiter von Bütikofer Harley Davidson Zürich, über den Bruterfolg der Rümlanger Waldrappe: „Sie sind zu einem Teil unseres Teams geworden.“
Vor 400 Jahren war die Jagd und das Ausnehmen der Nester die größte Gefahr für die Schweizer Jungvögel. Diese Bedrohung gibt es in der Schweiz nicht mehr, denn die Waldrappe fallen unter das Jagd- und Wildtierschutzrecht und sind streng geschützt, die kantonale Jagdbehörde unterstützt das Projektteam. Stattdessen droht den Waldrappen aber Gefahr durch ungesicherte Strommasten, die die Tiere wie viele andere Vogelarten als Rast- und Schlafplatz nutzen. Rund 40% der Todesfälle bei Waldrappen sind durch Stromschlag verursacht.
Dazu Johannes Fritz: „Tod durch Stromschlag auf ungesicherten Mittelspannungsmasten ist auch für die Schweizer Waldrappe die größte Gefahr. Wir bedauern daher sehr, dass die vom Bundesamt angedachte Verpflichtung der Elektrizitätsunternehmen zur Nachsicherung der Strommasten zurückgestellt wurde. Das ist ein schwerer Rückschlag für den Artenschutz, denn neben den Waldrappen sind auch viele andere Großvogelarten durch ungesicherte Masten gefährdet.“”
Quelle: Waldrappteam Conservation and Research
Bildquelle: (c)Waldrappteam Conservation and Research, (c)Waldrappteam.eu - J Fritz / Brut Rümlang