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Freitag, 17. Mai 2024

17. Mai 2024, 15:11    office@wildes-bayern.de

Wirken Wolfsschutzzäune nur auf Wölfe?


Die Gemeinde Münstertal in Baden-Württemberg will Zäune gegen Wölfe verbieten. Das meldete letzte Woche die ARD. Warum ist das so? Weideschutzzäune seien teuer, störten das Landschaftsbild, versperrten Wege und beeinträchtigten die Jagd , heißt es in dem Beitrag. Wir fügen hinzu: Diese Zäune haben eine gravierende Zerschneidungswirkung in der Landschaft für Wildtiere von der Kröte über den Igel bis zum Reh. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass Zäune sehr schnell zu Todesfallen werden – zumal, wenn sie unter hohem Strom stehen.

Im Beitrag kam auch der Biologe und Naturschützer Peter Herold  von der “Gesellschaft zum Schutz der Wölfe” zu Wort. Die Zäune würden nicht den Wildwechsel beeinträchtigen und somit auch nicht die Jagd, sagte er laut ARD. Neben Wölfen würden lediglich Wildschweine von dem Zaun aufgehalten werden, so seine Meinung.

Wildes Bayern ist daraufhin mit Herrn Herold in Kontakt getreten und hat sich seine wissenschaftlichen Grundlagen erläutern lassen – die uns einerseits schon bekannt waren, andererseits teils unvollständig und teils nicht wissenschaftlichen Standards genügend sind.  Aus unserer Sicht muss man sagen, dass es wohl bisher keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, die belegten, dass Herdenschutzzäune – immer in Abhängigkeit von Lage, Art und Ausmaß – keine einschränkende und negativen Auswirkungen auf Lebensräume von Wildtieren und ggf. auch auf einzelne Individuen, haben.

Hier für unsere Mitglieder zur Info unser letztes Schreiben an Herrn Dr. Herold:

“Sehr geehrter Herr Dr. Herold,

vielen Dank für Ihre lange Mail, von der ich mich nicht wirklich angesprochen fühlte. Wenn Sie mit „konventionellen Jägern“ über verschiedene Themen wie Kulturzäune, Abschusszahlen und Wildtiermanagement diskutieren möchten, dann bin ich der falsche Ansprechpartner. Ich beschäftige mich mit diesen Themen aus fachlichen und beruflichen Gründen.
Aus Ihren Ausführungen kann ich aber heraus lesen, dass Sie, als Ansprechpartner der GzSdW die Meinung vertreten, dass wolfsabweisende Einzäunungen grundsätzlich kein Problem für Wildtiere (welche Arten auch immer) darstellen ( Ihr Zitat: “das Wild hat mehr als genug Fläche zur Verfügung und ist nicht auf die Weideflächen angewiesen“). Ich bin mir nicht sicher, ob die GzSdW eine anerkannte Umweltvereinigung ist. In diesem Fall wäre eine solche Ansicht äußerst bemerkenswert, würde sie doch auf einen gänzlichen Mangel an Fachwissen hinweisen. Die Nutzung von Offenlandflächen und Weideflächen (auch im Wald) durch Wildtiere unterschiedlicher Arten ist ja gut untersucht. Auch die Nutzung von Freiflächen als Wanderkorridore ist ebenso ein immer wieder untersuchtes Thema in der Biologie.
Ich darf Sie nun auch dahingehend zitieren, dass die „bisherigen Erkenntnisse“ darüber, dass Herdenschutzzäune (nicht nur kurzfristige Nachtpferche) keine Einschränkung der Raumnutzung von Wildtieren darstellen, darauf beruhen, dass es Erzählungen von Personen gibt, die halt mal Wildtiere innerhalb derartiger Einzäunungen, an Einzäunungen und durch Einzäunungen springend oder schlüpfend gesehen haben (inkl. der Bilder und Videosequenzen auf der Webseite des niedersächsischen NABU-Projektes). Genau hier müssten jetzt wissenschaftliche Studien mit einem sorgfältigen Studiendesign ansetzen. Genau diesen Umstand bemängeln viele Autoren seit Jahren (nicht nur Smith et al; z.B. Seigle-Ferrand, J. et al. 2022. On this side of the fence: Functional responses to linear landscape features shape the home range of large herbivores. J. Anim. Ecology Vol. 91(2) pp.443-457. DOI:10.1111/1365-2656.13633. Solmsen, E.-H. et al 2021. Protecting horses against wolves in Germany. CPDnews 23 pp. 12-19.).
Die Fotofallen-Aufnahmen des NABU Projektes können jedoch genau diese Frage nicht klären, weil es in dem Projekt keine Vergleichsflächen gab (BACI) und viele Fragen (Selektivität der Durchlässigkeit etc.) ungeklärt blieben (hier der Link zu diesem Projekt: https://niedersachsen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/herdenschutz/31333.html). Daher gibt es auch nach wie vor keine „wissenschaftlichen Erkenntnisse“, die Ihre Aussage, („Zäune halten nur Wölfe und Wildschweine ab“) stützen könnten. Nur noch eine Bemerkung am Rande. Auch Wildschweine sind Wildtiere, deren Lebensraumnutzung nicht ausschließlich unter einem einseitigen monetär-wirtschaftlichen Gesichtspunkt gesehen werden sollten. Jedenfalls nicht von Umweltvereinigungen, wie ich einer vorstehen darf.
Beipflichten kann ich Ihnen jedoch uneingeschränkt, dass wir leider nur noch einen rudimentären Rest an früherer Weidetierhaltung, vor allem extensiver Weidetierhaltung, haben. Und genau diese extensiven Weideflächen sind naturschutzfachlich ungeheuer wertvoll – auch als Lebensräume und Habitat-Elemente von Wildtieren (viele Arten). Deshalb müssen Einschränkungen der Zugänglichkeit und Durchlässigkeit derartiger Flächen stets kritisch naturschutzfachlich geprüft werden. Es wird dabei wohl in Zukunft öfter dazu kommen müssen, dass derartige Einschränkungen und die entsprechenden naturschutzfachlichen Abwägungen gerichtlich überprüft werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christine Miller”

Den vollständigen Beitrag der ARD über das Zaunverbot der Gemeinde Münstertal findet Ihr hier




Wendt schrieb:


Da ist sie wieder: Die verlogene Doppelmoral! Weder das Land Baden Württemberg, noch die Gemeinde Münstertal hat sich jemals über die Tausende von Kilometer langen, für Wildtiere unüberwindbaren, ASP-Schutzzäune, die die Landschaft zerschneiden und woran bereits unzählige Wildtiere zu Tode kamen, aufgeregt. Im Unteren Odertal in Brandenburg ersaufen schon seit vielen Jahren Rehe und andere Wildtiere qualvoll, aber kein Jäger und keine Gemeinde und kein Politiker oder gar ein Bauer, regen sich darüber auf. Denn klar: Solange es um den Profit der Bauern geht, ist es wurscht, wenn an solchen Zäunen Tausende von Wildtieren elendig zugrunde gehen. Nur, weil die Bauern zu faul sind, ihre Tiere wolfssicher einzuzäunen, wurde offensichtlich in der Märchenkiste gegraben, und, um sich vor zusätzlicher Arbeit zu drücken, die plötzliche Sorge um das Wohlergehen der Wildtiere herausgezaubert. Gänzlich grotesk wird das Ganze dann noch dadurch, dass die Bauern es selbst sind, die mit kilometerlangen, stromführenden Weidezäunen, u.a. für Schafe, dem Wild den Lebensraum nehmen und nicht nur dem. Auch Igel verenden haufenweise qualvoll in den mit Strom bestückten Maschenzäunen der Schafhalter. Viele Rehe kommen in achtlos liegen gelassenen, oder herunterhängen Zäunen zu Tode. Viele verenden auf der Flucht vor wildernden Hunden oder vor dem Jäger in den von den Bauern aufgestellten Zäunen. Also verschont uns mit diesem Schmarrn, dass Wolfsschutzzäune wegen der Verletzungsgefahr für die Wildtiere oder Lebensraumzerstörung abzulehnen sind. Fangt stattdessen besser endlich mal bei der Politik und den Bauern an und fordert nicht nur den Abbau der ASP-Schutzzäune, sondern auch, dass sie endlich die gesetzlich vorgeschriebenen Wildschutzmaßnahmen vor der Mahd treffen. Denn dadurch kommen jedes Jahr um ein vielfaches mehr Wildtiere qualvoll zu Tode als durch jeden der wenigen Wolfsschutzzäune. Ja, gehts noch?!

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