«Niemand kann sich heute mehr an diese Zeit zurückerinnern», sagt Beat Wartmann, Vizepräsident von BirdLife Schweiz. «Deshalb ist es auch den meisten Menschen gar nicht bewusst, wir dramatisch schlecht es den Vögeln heutzutage geht.» Weil die Veränderungen schleichend und langsam geschehen, gewöhne sich der Mensch immer wieder an die neue Situation, so Wartmann. «Diese shifting baseline verhindert, dass die Menschen das Ausmaß des Problems sehen und verstehen.»
Einige Beispiele aus seinem Bericht:
- In einigen Feuchtgebieten brüteten damals noch Kiebitz, Grosser Brachvogel, Bekassine und Rotschenkel wie auch Tüpfelsumpfhuhn, Kleines Sumpfhuhn und Zwergsumpfhuhn. Von diesen Arten ist nur der Kiebitz als Brutvogel übrig, und das auch nur dank Artenfördermaßnahmen.
- Im Mittelland, sogar im Umfeld der Stadt Zürich, waren Arten wie Rebhuhn, Grauammer, Baumpieper, Raubwürger oder Braunkehlchen häufig anzutreffen. Das Rebhuhn – heute schweizweit ausgestorben – wurde sogar noch bejagt. All diese Arten benötigen eine naturnahe, artenreiche Feld- und Wiesenflur, teils mit blütenreichen Wiesen und kleinparzellierten Äckern, teils mit Hecken und ungenutzten Bereichen oder breitem gestuftem Waldrand. Die Arten sind heute im Mittelland fast oder ganz ausgestorben, Rebhuhn und Raubwürger sind sogar schweizweit ausgestorben.
- In den Obstgärten um die Siedlungen brüteten damals noch Rotkopfwürger, Gartenrotschwanz, Wendehals und Steinkauz. Ersterer ist heute in der Schweiz ausgestorben, für die anderen drei Arten laufen aufgrund ihrer Gefährdung Artenschutzprojekte von BirdLife Schweiz. Alle sind im Mittelland äußerst selten geworden; ihre Förderung ist aufwändig.
- Neu gekommen oder mehr geworden sind hingegen Kulturfolger oder besonders anpassungsfähige Arten wie Türkentaube, Alpensegler oder Saatkrähe. Und: Aufgrund geänderter Jagdgesetze erholten sich mehrere Reiher- und Greifvogelarten, die früher rigoros verfolgt wurden.