“Mehr Toleranz für Leichen” fordert der Ökologe René Krawczynski in einem Artikel in der Wissenschaftszeitschrift “Spektrum”. Das klingt erstmal anrüchig, aber wer den Artikel liest, dem verschlägt es schier den Atem – und zwar nicht aus den Gründen, die hier naheliegend erscheinen. Es geht um Tierkadaver draußen in der Natur und die faszinierende Erkenntnis, dass das Leben im wahrsten Sinne des Wortes ein Kreislauf ist. Krawcynski weitet unseren Blick für die hoch komplexen Vorgänge, die den Abbau eines eingegangenen Wildschweins oder überfahrenen Rehs bewerkstelligen – und die zahllosen Nutzen und Vorteile, die so ein Kadaver für die lebendige Umwelt bietet.
Viele waren oder sind noch gar nicht erforscht, was ein Warnsignal an all jene sein sollte, die denken, man könne auf die eine oder andere größere Säugetierart auch verzichten. So berichtet Krawcynski zum Beispiel von der überaschenden Entdeckung, dass nicht nur Geier etwas mit Knochen anzufangen wissen, sondern auch Rotmilane, Lemminge und Schnecken, die einst verschollene Linsenfliege sowie seltene Moose und Flechten. Wo ein Wildtier stirbt und sein Körper sich zersetzt, reichert sich der Boden in der Umgebung mit Feuchtigkeit und Nährstoffen an, so dass für Artgenossen oft attraktive Nahrungspflanzen sprießen. Tierkadaver sind unbestritten ein Gewinn für die Natur – was aber niemals die Ausrede sein kann, tierquälerische Jagdpraktiken zu kaschieren, indem man Wild in der Landschaft liegen lässt.
Eine entsprechende Handreichung, die dem Naturschutz dient, aber Missbrauch verhindert, ist daher dringend notwendig und sollte unserer Meinung nach interdisziplinär erstellt werden.
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Bildquelle: (c)Wildes Bayern privat, (c)Wildes Bayern - privat - Gamskadaver