Der erste Morgen als Vogelmutter beginnt genau so, wie man das immer befürchtet: Aufwachen quasi im Morgengrauen, und sofort fährt mir der Schreck in die Glieder: Ist alles o.k, oder ist er über Nacht gestorben?
Naja, gestorben ist er nicht, aber wir haben was falsch gemacht. Die Wärmflasche ist natürlich über Nacht ausgekühlt, und mit ihr der sprechende Camembert. Ganz kalt und steif fühlt er sich an, als ich ihn aus seiner Schachtel nehme, und ich fühle mich schon wieder ganz elend und schlecht. In der nächsten Nacht stelle ich mir mehrmals den Wecker, um die Wärmflasche zu erneuern. Ich beginne zu ahnen, wovon die Mütter echter Babies immer reden, aber die halten das mit dem nachts-mehrmals-Aufstehen über Monate durch!
Zum Glück lässt Bert sich gut wieder aufwärmen und frisst auch bald wieder. Dieser Vogel scheint mehrere Leben zu haben. Inzwischen habe ich gelesen, dass das Verdauungssystem von Jungvögeln nicht funktioniert, wenn sie zu kühl sind. Man soll sie also immer erst aufwärmen und dann füttern.
Apropos Verdauungssystem. Da hat Bert nämlich noch eine große Überraschung für uns parat. Der junge “Dreckspatz” ist stubenrein! Erst lässt er sich von mir in seinem Käseschachtel-Nest mit Insektenbrei vollstopfen. Will er nicht mehr, dreht er unwirsch den Kopf weg. Dann fängt er an, unruhig zu trippeln, hebt schließlich den Popo und befördert eine kleine Kackwurst möglichst über den Rand der Schachtel hinaus. Die Wurst – natürlich das vom ängstlichen Mutterauge am kritischsten kontrollierte Objekt – sieht genau so aus, wie sie sie in Büchern beschreiben: Viel Kalkweiß und ein bißchen Dunkelgrau. Sie ist praktischerweise in einen kleinen “Beutel” verpackt, und nimmt man sie entsprechend vorsichtig auf, dann lässt sie sich rückstandslos entfernen. Gar nicht schlecht eingerichtet von der Natur!
Mein Mann kramt vom Speicher einen alten rosa Mäusekäfig aus Kinderzeiten, in den Bert mit seiner Käseschachtel einzieht. Einen Anlass, ihn einzusperren, gibt es eigentlich noch nicht, weil er seine Schachtel ohnehin kaum verlässt. Im Gegenteil: Bert ist ein Höhlenbewohner. Nach dem Fressen und nachts versteckt er seinen Kopf unter den zwei Fetzen Schafwolle, die ich ihm in die Schachtel getan habe.
Irgendwann komme ich auf die Idee, ihm noch ein Stück Stoff übers Nest zu legen. Da ragen dann gerade noch die kümmerlichen Schwanzfeder-Ansätzchen hervor. “Höhlen-Jonny”, sagt mein Mann.
Bildquelle: (c)Wildes_Bayern_privat_Bert_1_2560x1275, (c)Wildes Bayern privat - Bert