Es lässt sich nicht ändern: Wir müssen vier Tage verreisen, und Bert muss mit. Ok, vielleicht bin ich egoistisch. Natürlich könnte ich den Jungvogel einfach meiner Nachbarin anvertrauen, sie in alles einweisen, was wir bisher wissen, und darauf bauen, dass sie das schon hin bekommt. Aber ich gebe zu: Ich kann mich nicht trennen.
Und Bert hat sich ja anlässlich der Kitzrettung schon als resistenter Autofahrer erwiesen. Also starten wir zu viert im VW-Bus: Mein Mann – wegen Rückenschmerzen – hinten auf dem Sitz liegend. Davor der Hund. Auf dem Beifahrersitz Bert im Käfig. Ich am Steuer. Sobald irgendein Wesen fiept oder tschilpt, halten wir an. Bis nach Fürth (gut 150 Kilometer) passiert das zwei Mal, alle können pieseln/futtern/trinken. An der Raststätte komme ich mir vor wie eine Mischung aus Familie mit Kleinkindern und Vagabunden, die mit einem Zirkus reisen.
In Fürth darf Bert im Garten laufen. Und es gibt ein super Trainingsgerät: eine Vogeltränke mit einem Hügel in der Mitte und Wasser drumherum. Das animiert ihn dazu, erste Flugversuche zu machen. Er schafft es tatsächlich trockenen Fußes bis zum Schüsselrand. Dann muss ich ziemlich fix hinter ihm her sein, damit er mir nicht irgendwo unter einen Holzstapel entwischt.
Unsere zweite Station am nächsten Tag ist nochmal 250 Kilometer weiter, zum Glück gibt es dort wieder einen Garten, wo Bert auf dem Rasen herumlaufen kann. Er legt immer größere Strecken hopsend und flatternd zurück. Und dann passierts: Morgens früh entwischt er mir durch die Füße. Als ich mich umdrehe, ist er schon weg.
Mein Mann ist sauer, weil ich nicht besser aufgepasst habe. Ich sehe es eher gelassen: Ist doch ein Wildvogel, kam total zufällig zu uns, warum sollte er nicht auch genauso zufällig wieder verschwinden? Aber ganz kalt lässt es mich natürlich auch nicht. Den ganzen Vormittag über rufen und suchen wir Bert immer wieder. Er ist in der Nähe und antwortet – aber in den dichten Büschen können wir ihn nicht finden. (Bei dieser Gelegenheit übrigens mal einen kurzen Abstecher zum Thema Kommunikation – wieso erkennen wir “unseren” Vogel so einwandfrei an seinen Rufen? Liegt das nur daran, dass er tatsächlich “antwortet”, also sich meldet, wenn wir etwas sagen?)
Dann endlich entdecke ich ihn und kann ihn aus dem Busch pflücken. Er sitzt nicht besonders hoch mitten drin, also sehr gut verborgen. Mein Mann erteilt uns beiden Stubenarrest: Der Vogel darf erst zuhause wieder frei fliegen, er soll nicht irgendwo auf dieser Reise einfach so “verloren gehen”.
Weil ich ein schlechtes Gewissen dabei habe, unseren flügge werdenden Jungspatz einzusperren, einigen wir uns auf Innentraining. Bert darf in einem Zimmer fliegen, wo er nicht verloren gehen kann. Erster Landeplatz: Die Schulter meines Mannes. Zweiter: meine Schulter. Dann probiert er es noch auf Bilderrahmen an der Wand, scheitert aber, weil sie zu flach sind. Nicht optimal. Morgen geht´s nachhause.
Bildquelle: (c)Wildes Bayern privat - Bert auf Reisen, (c)Wildes Bayern - Bert auf Reisen