Die EU hat Ende September eine neue Richtlinie verabschiedet, die helfen soll, bis 2050 gesunde Böden wiederherzustellen. In der Pressemeldung des Rats der Europäischen Union heißt es:
Den verfügbaren Daten zufolge befinden sich über 60 % der Böden in Europa in einem ungesunden Zustand und Untersuchungen zeigen, dass sie sich weiter verschlechtern. Die Bodendegradation wird durch nicht nachhaltige Landbewirtschaftung, Kontamination und Übernutzung sowie durch die Auswirkungen des Klimawandels und extremer Wetterereignisse verschärft.
Deshalb hat der Rat am 29. September die Richtlinie zur Bodenüberwachung förmlich angenommen, mit der der erste EU-weite Rahmen für die Bewertung und Überwachung von Böden geschaffen wird. Die endgültige Abstimmung im Europäischen Parlament wird voraussichtlich in den kommenden Wochen stattfinden. Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Vorschriften innerhalb von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen.
Die neuen Vorschriften werden dazu beitragen, die Bodenresilienz zu verbessern, einen besseren Umgang mit kontaminierten Standorten sicherzustellen und Grundsätze zur Minderung des Flächenverbrauchs einzuführen, wobei der Schwerpunkt auf der Bodenversiegelung (d. h. der Bedeckung von Boden mit undurchlässigem Material wie Beton oder Asphalt) und dem Bodenabtrag (d. h. dem Abtrag von Oberboden, etwa bei Bauarbeiten) liegt.
Im Rahmen der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten Überwachungssysteme einrichten, um den physikalischen, chemischen und biologischen Zustand der Böden in ihrem Hoheitsgebiet auf der Grundlage einer gemeinsamen EU-Methodik zu bewerten. Sie werden der Kommission und der Europäischen Umweltagentur regelmäßig über den Gesundheitszustand der Böden, den Flächenverbrauch und die kontaminierten Standorte Bericht erstatten.
Dadurch wird sichergestellt, dass EU-weit vergleichbare Daten vorliegen und dass koordinierte Maßnahmen ergriffen werden können, um die Bodendegradation zu bekämpfen. Außerdem werden Schritte zur Überwachung neu auftretender Kontaminanten wie PFAS, Pestizide und Mikroplastik unternommen.
Bisher fehlt auf EU-Ebene ein spezifischer Rechtsrahmen für den Boden. Für andere wichtige Ökosysteme (Wasser, Luft, Meeresumwelt) gibt es solche Rechtsrahmen bereits. Als Teil der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 hat die Kommission im November 2021 eine neue EU-Bodenstrategie angenommen. Diese zielt vor allem darauf ab, dass alle Böden in der EU bis 2050 in gutem Zustand sein sollen. Im Rahmen der Strategie wurde auch festgestellt, dass die Bodendegeneration insbesondere auf einen Mangel an spezifischen EU-Rechtsvorschriften zurückzuführen ist. Angesichts dessen hat die Kommission im Juli 2023 das Bodenüberwachungsgesetz vorgeschlagen.
Die komplette EU-Richtlinie könnt Ihr hier einsehen
UPDATE vom 23. Oktober 2025
Gerade erst haben wir über die Methode der Röntgentomographie für Böden berichtet (s. unten), da schneit eine spannende Studie herein, die genau damit gearbeitet hat. Österreichische Forscher der Universität für Bodenkunde (BOKU), der Agroscope Reckenholz und der KU Leuven haben in der Flyschzone des Wienerwalds untersucht, wie sich Waldböden regenerieren, nachdem sie mit schweren Harvester-Maschinen befahren wurden. Die Ergebnisse sind ebenso aussagekräftig wie erschreckend.
Auf Rückegassen waren direkt nach dem Befahren fast überhaupt keine Regenwürmer mehr zu finden. Die Bodenstruktur war stark verändert: „In 5 Zentimetern Tiefe blieb nur etwa ein Viertel der groben Poren, die in den Röntgenaufnahmen sichtbar sind, erhalten. In 15 Zentimetern Tiefe war es sogar weniger als ein Sechstel“, berichtet die Online-Veröffentlichung forstpraxis.de. „Aus einem ursprünglich gut vernetzten, ungerichteten System wurde eine horizontal ausgerichtete, nahezu undurchlässige Schicht. Dadurch bleibt dem Bodenleben im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg.“
18 Jahre nach dem Ereignis wurden die Böden nun nochmals untersucht. Während sich die obersten fünf Zentimeter offenbar regeneriert hatten, waren in der tieferen Schicht die negativen Veränderungen immer noch vorhanden. In der obersten Lage wurden mehr Regenwürmer gefunden als vor dem Befahren, was die Wissenschaftler darauf zurückführen, dass durch die verdichteten Lagen Wasser gestaut wurde und oben jetzt mehr Feuchtigkeit war. Denn die tiefgrabenden Wurmarten waren deutlich reduziert.
Die Forscher empfehlen auf Grundlage ihrer Ergebnisse, befahrene Flächen so gering wie möglich zu halten, ein festes Netz an Rückegassen zu verwenden und nicht bei Nässe, sondern am besten nur bei trockenen Böden zu arbeiten. Auch bodenschonende Seilgeräte sollten als Alternative für solch empfindliche Böden in Betracht gezogen werden, heißt es in forstpraxis.de
Die Pressemitteilung der BOKU zur Studie finden Sie hier
Meldung vom 16. Oktober 2025

„Gefügeatlas“ ist ein furchtbar sperriges und abstraktes Wort. Können Sie sich darunter was vorstellen? Ich auf Anhieb erstmal nicht. Doch ganz unten auf der Titelseite dieses handlichen Buches aus dem Pfeil Verlag steht eine total angewandte Frage, die sofort meine Neugierde geweckt hat: „Wie kann der Landwirt die Bodenstruktur so optimieren, dass sie auch extremer Witterung standhält?“
Tatsächlich ist der Gefügeatlas als Ergebnisbericht aus einem spannenden wissenschaftlichen Projekt entstanden: dem DIWELA-Projekt, das zwischen 2015 und 2021 am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung durchgeführt wurde.
Bodenkundler haben dabei 127 Proben von verschieden bearbeiteten Äckern aus elf Betrieben in unterschiedlichen Regionen genommen und diese – man höre und staune – „in die Röhre geschoben“, also in einen Computertomographen, wie wir ihn aus der Medizin kennen. Die entstehenden CT-Bilder zeigen Verdichtungen, Poren, Risse, Wurzeln, Steine, Brocken und Lebewesen. Sie zeigen den „Querschnitt“ der oberen Bodenschicht – und liefern so hervorragend zu interpretierende Diagnose-Werkzeuge für den Landwirt (eben DI WE LA).
Die weit über 100 schwarz-weiß-Aufnahmen in dem Band zeigen Böden in verschiedensten Zuständen: locker-krümelige mit hübsch von oben nach unten verlaufenden Poren und Wurzeln sowie hier und da einem eingerollt schlafenden Regenwurm, aber auch solche, die so komplett verdichtet waren, dass allein durch die Probennahme waagerecht verlaufende Risse entstanden. Man muss kein Bodenkundler sein, um zu ahnen, dass der eine Boden Niederschläge gut wegsickern lassen kann, der andere sie hingegen einfach ableitet und dabei womöglich gleich noch mit abgetragen wird. Alle Bilder werden mit Hintergrundinformationen eingeordnet.
Hier mal eine Beispielseite aus dem Buch:

CT-Bild einer Bodenprobe mit optimalem Gefüge und Regenwurm
Warum ist das nicht nur pittoresk, sondern auch wirklich interessant? Unsere Böden sind ein Schlüssel, nicht nur für Pflanzenwachstum, die Vielfalt der Bodenlebewesen und unsere Ernährung, sondern natürlich auch für Klima- und Hochwasserschutz. Wenn nach einem Starkregen der halbe Acker abgetragen und in den Graben gespült ist, dann ist das nicht nur blöd gelaufen, sondern ein immenser Verlust an Fruchtbarkeit und kostbarem Oberboden samt Bodenleben. Verschlämmte Krusten an der Oberfläche können sich weiter nachhaltig negativ auswirken.
Doch es ist noch viel mehr, wie man sofort lesen kann, wenn man dieses Buch aufschlägt – gleich bei den Vorworten gingen mir die Augen auf!
„Das Bodengefüge… ist eine leicht veränderliche, stark gefährdete Ressource von großer praktischer Bedeutung. Die Beschaffenheit des Bodengefüges beeinflusst den Luft-, Wasser- und Wärmehaushalt des Bodens, die Durchwurzelbarkeit, die Keimung (…) Besondere Bedeutung hat die Bodenstruktur direkt an der Bodenoberfläche. Bei unzureichender Gefügestabilität durch z. B. häufige und intensive Bodenbearbeitung, verschlämmt der Boden und behindert somit die Infiltration von Niederschlägen. Es bilden sich Oberflächenwasser und in Hanglagen Oberflächenabfluss, der Bodenerosion auslöst und die Gefahr von Hochwasser erhöht.“
Wer in einer Landwirtschaftsregion wohnt und sieht, wie oft mit riesigen Maschinen auf den Feldern und Wiesen gefahren wird, um sie zu pflügen, einzusäen, zu spritzen und irgendwann zu ernten, dem wird angst und bange um unsere Böden, um die Artenvielfalt unter der Erde und um ihre Pufferwirkung gegen Hitze und Starkregen. Ein abgeernteter Maisacker hat oft eher die Beschaffenheit eines Parkplatzes. Kann das allein durch Pflügen wieder rückgängig gemacht werden? Und was ist mit Dauergrünland, das nach der Mahd zentimetertiefe Reifenfurchen aufweist?

Verfestigter Ackerboden
Der Gefügeatlas kann Landwirte dafür sensibilisieren, wie ihre Bearbeitung sich auf die Böden und letztlich deren Ertrag auswirkt. Im Buch sind zu jeder Probe unter anderem eine Analyse, Bewertung und Handlungsempfehlung gegeben, wie zum Beispiel: „Aufbrechen der Verdichtung, Stabilisierung des Bodengefüges durch Zwischenfrüchte, organische Düngung zur Aktivierung des Bodenlebens.“
Es gibt zusätzliche Kapitel zu Spezialthemen, wie zur Verschlämmung oder zur organischen Düngung, es gibt Fallbeispiele und Stimmen von Landwirten, die schon mit der DIWELA-Methode zu tun hatten.
Und der Pfeil-Verlag wäre nicht der Pfeil-Verlag, wenn nicht neben dem hier Beschriebenen noch sehr viel mehr vertiefende, beinahe wissenschaftliche Informationen aus dem Buch zu holen wären. Wir sind begeistert und empfehlen dieses Buch für jede landwirtschaftliche Ausbildung oder auch für jeden Betrieb.
Joschko, M. et al. (2024): Ein Gefügeatlas. Computertomographie von Ackerböden zur Beurteilung des Bodengefüges. Pfeil Verlag, Günding.
ISBN 978-3-89937-288-5
188 Seiten, 21,5 × 21,4 cm, Hardcover
46 Farb- und 83 Schwarzweißabbildungen
Bildquelle: Pfeil Verlag, Gefuegeatlas_Seite__Seite_7, privat, Wildes Bayern
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Tolle Rezension, wunderbar geschrieben !
Diese Arbeit ausführlich und super geschrieben.