Eine neue Studie von Stefanie Erhardt, Marc Förschler und Joanna Fietz von der Universität Hohenheim hat das Gewicht von Gartenschläfern in den Fokus genommen. Denn eines der Warnzeichen, bevor eine Population zusammenbricht und womöglich ausstirbt, ist ein Rückgang des Gewichts (Body mass) der einzelnen Individuen. Nachdem der Gartenschläfer in den letzten Jahrzehnten aus über der Hälfte seines früheren Lebensraums in Zentraleuropa verschwunden ist, stellt sich die Frage, ob es weitere Warnzeichen für diesen Rückgang gegeben hat.
Die Antwort ist leider positiv: Bei Fang-Wiederfang-Studien an 182 Gartenschläfern im Nationalpark Nordschwarzwald in den Jahren 2003 bis 2005 und 2018 bis 2021 zeigte sich, dass die Gartenschläfer in der zweiten Periode vor dem Winterschlaf um zwölf Prozent leichter waren als in der ersten. Jungtiere nach dem Abstillen nahmen bis zum Winterschlaf ebenfalls deutlich weniger Gewicht zu als früher.
Ein geringeres Winterschlafgewicht kann fatale Folgen haben. Denn paradoxerweise führen ausgerechnet wärmere Winter, wie der Klimawandel sie uns beschert, bei Winterschläfern zu einem erhöhten Energieverbrauch. Sie wachen unter Umständen verfrüht auf, kommen geschwächter aus dem Winterschlaf oder sterben, auch oder gerade wenn es nicht so kalt war.
Die Ergebnisse aus dem Nordschwarzwald, einem der letzten großen Verbreitungsgebiete der Gartenschläfer in Deutschland, deuten darauf hin, dass die Bilche, die zu den Insektenfressern zählen, immer größere Schwierigkeiten haben, an qualitativ hochwertige Nahrung zu gelangen. Zwar nehmen sie neben Insekten auch Früchte und Samen zu sich, aber gerade in den Wachstumsphasen der Jungtiere und während der Phase, in der sie Winterspeck anlegen, fressen Gartenschläfer relativ große Anteile an Insekten. Ein weiteres Indiz für eine unzureichende Ernährung zeigt sich darin, dass sich ihr Reproduktionszyklus verändert hat, was als typische Folge von Nährstoffmangel bekannt ist: Während es in der ersten Periode zwei Geburtenhöhepunkte gab, stellten die Wissenschaftler in Periode 2 nur noch einen fest.
Eine weitere Besonderheit der Studie war, dass an einem von zwei Untersuchungspunkten in der zweiten Periode gar keine Gartenschläfer mehr angetroffen wurden. Es handelte sich um eine Fläche westlich außerhalb des Nationalparks Schwarzwald, während der andere Punkt im Nationalpark lag. Die Untersuchung wurde daraufhin auf einer weiteren Fläche im Nationalpark, auf der das Vorkommen von Gartenschläfern bekannt ist, fortgesetzt.
Die vollständige Studie in englischer Sprache können Sie hier herunterladen
Meldung vom 15.6.2025
UPDATE: Die neue „Jagd in Tirol“ (Zeitschrift des Tiroler Landesjagdverbands) berichtet über ein tolles Citizen-Science-Projekt, mit dem in dem Bundesland die „Schlafmäuse“ erfasst werden sollen, also die Bilche, zu denen der Gartenschläfer, der Siebenschläfer und andere gehören.
Wir finden: Feine Sache, hätten wir hier in Deutschland auch gerne – siehe die unklare Lage der gefährdeten Art im Harz (unten).
Den Beitrag aus Tirol könnt Ihr hier nachlesen (zu Seite 16 blättern)
Meldung vom 15.6.25
Aus Sachsen-Anhalt gibt es einen Bericht über die Verbreitung des Gartenschläfers. Der zeigt leider auf, dass die Art massiv unter Lebensraumverlust leidet. Heute können außerhalb vom Harz keine Gartenschläfer mehr nachgewiesen werden – dieses Vorkommen stellt also einen reliktartigen und isolierten Vorposten an der nördlichen Verbreitungsgrenze der Art in Deutschland dar.
Laut den Verfassern des Berichts „besteht eine hohe Verantwortlichkeit für die Erhaltung der Art in der Region. Ein konsequenter Schutz aller Einzelvorkommen erscheint daher unerlässlich.“ Ohne diesen, so befürchten sie, geht die Art in ihrem letzten Verbreitungsgebiet hier, dem Harz, verloren.
Doch wer kümmert sich darum? Es scheitert bereits am Monitoring; auch das stellt der Bericht unbeschönigt dar.
Wie die Lage genau ist, darüber ist zu wenig bekannt, weil außer dem Nationalpark nur vereinzelte Bürger am Monitoring mitwirken. Die größten Auswirkungen haben die staatlichen Wälder. Darüber heißt es im Bericht:
„Außerhalb des Nationalparks muss der Bestand des Gartenschläfers im Wirtschaftswald als erheblich gefährdet eingestuft werden, insbesondere im Hinblick auf die stellenweise starke Beeinträchtigung der Habitate der Art. Die großflächigen Kahlflächen, die in den letzten Jahren nach Windwurf, Kalamitätsereignissen und Trockenstress entstanden sind, haben den Lebensraum des Gartenschläfers im Wirtschaftswald massiv verändert.“
Wie diese Veränderungen genau ausschauen? Keine Ahnung, denn leider kümmert sich die staatliche Forstpartie nicht um das tierische Leben in den Wäldern, die sie in unserem Auftrag verwalten. Schlimmer noch: Sie nehmen bei der Bewirtschaftung auch keine Rücksicht darauf. Das muss sich ändern – wir wollen endlich Forstwirtschaft, die sich wenigstens einen Hauch für die Natur interessiert und natürliche Zusammenhänge berücksichtigt!
„Eine praktizierte Methode der Flächenvorbereitung auf großen Kahlflächen im Hochharz ist die maschinelle Beräumung der Flächen mit zum Teil kompletter Rodung des Wurzelstocks und das Aufschieben des Schlagabraums zu Wällen“, beschreiben die Autoren. „Dieses Verfahren der Flächenvorbereitung für die Wiederanpflanzung führt zu einem Lebensraumverlust verbunden mit einem erhöhten Tötungsrisiko für viele Waldarten.“
Die Fachexperten fordern, dass auch außerhalb des Nationalparks mehr aktive Suche nach dem Gartenschläfer stattfindet. Außerdem schreiben sie:
„Besonders dringend erscheint hierbei eine Änderung der aktuellen Praxis der vollständigen Beräumung forstlicher Kalamitätsflächen. Zumindest auf Teilflächen müssen Totholz, Stubben und damit auch Sträucher und aufkommende Bäume belassen werden. (…) Wo immer möglich sollten artenreiche Wald
ränder entwickelt bzw. gepflegt werden. Diese könnten in Kombination mit den unberäumten Teilflächen als Refugien dienen, aus denen eine spätere Wiederbesiedlung neu aufgeforsteter Waldflächen durch den Gartenschläfer möglich wäre. Von Bedeutung für den Gartenschläfer sind weiterhin das Belassen von Kleinstgewässern und weiteren Strukturelementen sowie der Verzicht auf Rodentizide.“
Hier übrigens noch Gastbeitrag des Biologen und Ökologen Prof. Dr. Pierre Ibisch im Focus zum Umgang mit den Wäldern im Harz und in ganz Deutschland…
Meldung vom 30.1.2025: Tolles Handbuch zum Gartenschläfer
Die Universität Gießen, das Senckenberg-Institut und der Bund Naturschutz haben ein „Handbuch Gartenschläfer“ herausgegeben, das hervorragende Tipps für jeden Gartenbesitzer enthält, wie er den Lebensraum für die geschützten Bilche, insbesondere den stark gefährdeten Gartenschläfer, erhalten kann.
In Deutschland sind eigentlich vier Schlafmausarten heimisch: der Siebenschläfer, die Haselmaus, der Baumschläfer (von dem aktuelle Nachweise in Deutschland aber fehlen) und der Gartenschläfer. Sein Verbreitungsgebiet ist dabei das kleinste und beschränkt sich auf Europa.
Seit etwa 100 Jahren, so informiert das Bundesamt für Naturschutz, schrumpft dieses Gebiet, seit 1970 immer schneller. Aus mehreren europäischen Ländern ist der Gartenschläfer verschwunden, und auch in Deutschland ist der Rückgang deutlich. Die Gründe sind noch rätselhaft.
Der Gartenschläfer kommt in sehr unterschiedlichen Lebensräumen vor, zum Beispiel in den Gipfellagen des Brockens im Harz oder in den Hochlagen des Schwarzwalds. Zugleich ist er an Rhein und Mosel, auf Weinbergen sowie in mehreren Städten heimisch, zum Beispiel in Mannheim, Mainz, Wiesbaden, Koblenz, Trier, Bonn und Köln.
Das nun erschienene Handbuch fasst die Ergebnisse eines umfassenden Forschungsprojekts zusammen, das zwischen 2018 und 2024 den offenen Fragen rund um den Gartenschläfer nachgegangen ist. Man erfährt nicht nur all die spannenden Ereignisse und Ergebnisse, die die Forscher zusammengetragen haben, sondern bekommt ab Kapitel 8 auch viele nützliche Tipps, wie man selbst dem Gartenschläfer – und damit der Artenvielfalt im eigenen Garten – helfen kann.
Das Handbuch „Spurensuche Gartenschläfer“ findet Ihr zum Download hier
Meldung vom 20.12.2024
Hier findet Ihr einen Bericht über eine neue Studie zum Gartenschläfer
Das Tier des Jahres 2023 ist der Gartenschläfer
Der Bilch mit der Augenmaske findet immer weniger geeignete Lebensräume und steht als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste Deutschlands
Hamburg, 15. November 2022. Die Deutsche Wildtier Stiftung ernennt den Gartenschläfer (Eliomys quercinus) zum Tier des Jahres 2023. Er ist ein eher unbekanntes Familienmitglied der Bilche, zu denen auch der Siebenschläfer, die Haselmaus und der sehr seltene Baumschläfer gehören. Einst in vielen Landesteilen verbreitet, steht das Nagetier inzwischen als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste Deutschlands. Der Gartenschläfer war eines von drei Säugetieren des Lebensraumes Wald, das die Stiftung ihren Spenderinnen und Spendern zur Wahl gestellt hatte. Mit dem Titel „Tier des Jahres“ möchte die Stiftung auf diese faszinierende und bedrohte Art aufmerksam machen, um so zu ihrem Schutz beizutragen.
Schwarze Augenmaske, langer Schwanz und große Ohren – das sind die drei charakteristischsten Merkmale des gut faustgroßen Pelzträgers. Er ist ein Kletterkünstler, Winterschläfer und ein echter Allesfresser. Der Gartenschläfer lebt gerne in unseren Parks und Gärten – in Südwestdeutschland sind sie seine Hauptverbreitungsgebiete. Dort verkriecht er sich in Hecken, Mauerspalten, Schuppen oder Nistkästen. Und so kann man seine Zorro-Maske manchmal sogar auf dem Balkon entdecken. Allerdings nur nachts, denn das Tier des Jahres 2023 verschläft seine Tage und ist nur in der Dunkelheit aktiv. Sein Winterschlaf dauert rund sechs Monate und seine Körpertemperatur sinkt dann bis auf rekordverdächtige -1 Grad. In Spanien, wo der Gartenschläfer ganzjährig Futter findet, muss er – wenn überhaupt – nur kurz in den Winterschlaf gehen; dafür hält er dort in trockenen Sommern ohne Nahrung schon mal eine mehrtägige Siesta.
Ursprünglich war der maskierte Schläfer in vielen struktur- und felsreichen Mittelgebirgen beheimatet – in diesen natürlichen Lebensräumen gibt es ihn heute nur noch im Harz, im Schwarzwald und in Bayern. Dort findet er ausreichend Versteckmöglichkeiten in Felsspalten, Baumhöhlen oder Totholz und dazu seine Lieblingsnahrung wie Käfer und Tausendfüßer. Wichtig ist für ihn zudem eine deckende Kraut- und Strauchschicht, in der er auch pflanzliche Nahrung wie Wildfrüchte und Beeren findet und sich vor allem gut vor seinen Feinden wie Füchsen, Mardern und Eulen verstecken kann. Da diese vielfältigen Strukturen in unseren Wäldern selten geworden sind, sind die Gartenschläfer-Bestände in natürlichen Lebensräumen sehr stark rückläufig. In Siedlungsbereichen lauern dagegen ganz andere Gefahren wie offene Regentonnen, Rattengift oder hungrige Hauskatzen auf ihn. Insgesamt ist das Verbreitungsgebiet des Gartenschläfers in Europa in den letzten 30 Jahren um fast die Hälfte geschrumpft.
„Die Deutsche Wildtier Stiftung möchte nicht nur die Aufmerksamkeit auf dieses bedrohte Tier lenken, sondern auch dabei helfen, wenigstens einige der noch bestehenden Geheimnisse rund um den Bilch zu lüften“, sagt Julia-Marie Battermann, Bilch-Expertin der Deutschen Wildtier Stiftung. „Denn je mehr wir über den Gartenschläfer wissen, umso besser können wir ihn schützen. Deshalb wollen wir Forschungsprojekte unterstützen, die die Ansprüche des Gartenschläfers untersuchen, um so Maßnahmen für seinen Fortbestand in Deutschland entwickeln zu können.“
Infokasten:
Mit der Wahl des „Tier des Jahres“ setzt die Deutsche Wildtier Stiftung die langjährige Arbeit der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild fort. Seit 2017 wählen die Spenderinnen und Spendern der Deutschen Wildtier Stiftung ein Tier des Jahres, auf das in der Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden soll. Sei es aufgrund seiner Gefährdung, der Bedrohung seines Lebensraumes oder weil es einen Mensch-Wildtier-Konflikt hervorruft.
Lesen Sie in unserem Steckbrief alles über das Tier des Jahres 2023: https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/gartenschlaefer.
Bildquelle: (c)Kerstin Hinze - Gartenschläfer
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